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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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war.
    Zwischen den Feldern, direkt an den Bahngleisen, stand ein einzelnes altes Haus aus gelbrotem Backstein. Nikolas Schäfer wusste, dass es von einer jungen Frau bewohnt wurde. Er hatte sie in den vergangenen Monaten einige Male gesehen. Sie hatte am Fenster des Badezimmers gestanden und sich das Haar gekämmt. Oder sie war vom Einkaufen gekommen und hatte schwere Taschen ins Haus getragen. Und ein paarmal hatte sie auf einer Campingliege auf einem kleinen verwilderten Rasenstück gelegen und sich gesonnt. Meist war sie allein. Er hatte sich vorgestellt, die Frau kennen zu lernen und sie zu besuchen. Jetzt hielt er beide Hände an die Scheibe und hoffte, dass eines ihrer Fenster erleuchtet sei und er sie beobachten könne, aber das Haus war dunkel. Alle Rollläden waren heruntergelassen. Draußen begann es gerade erst zu dämmern. Dann entdeckte er etwas.
    Im Hof neben dem Haus sah er eine Art helles Bündel. Er schaute genauer hin, konnte aber nicht erkennen, um was es sich handelte. Es war noch zu dunkel.
    Er stand auf, verließ seinen Platz und ging in den nächsten Waggon, um eine bessere Position zu haben. Er stellte sich an die Tür und schaute wieder hinaus. Jetzt war er sicher, dass da im Hof des Hauses etwas war. Ein Tier, dachte er, vielleicht ein großer Hund.
    Auf einem der Feldwege näherte sich ein Kleinlaster. Als das Fahrzeug an dem Haus vorüberkam, streifte das Licht der Scheinwerfer für einen kurzen Augenblick den Hof. Dieser Moment genügte. Nikolas Schäfer trat einen Schritt zurück. Er merkte, wie sich sein Magen verkrampfte. Es war kein Tier, was er gesehen hatte. Es war ein Mensch. Der Körper einer Frau. Eine unvollständig bekleidete Frau, die dort reglos auf dem geschotterten Boden in der Dunkelheit kauerte. Er war sicher, dass die Frau nicht mehr lebte. Niemand hielt sich bei diesen Temperaturen freiwillig halb nackt im Freien auf.
    Am Mühlberg stieg er aus. Oberhalb der Treppe, die zur Station führte, stand der Verkaufswagen einer Bäckerei.
    «Was ist denn mit Ihnen los?», fragte die Verkäuferin. «Sie sind ja ganz blass. War wohl spät gestern Abend.»
    Er nickte. Wie immer nahm er ein Käse- und ein Schinkenbrötchen. Er legte das Geld auf die Plastikschale. Seine Hände zitterten. Dann ging er, ohne sich zu verabschieden. Er gab sich Mühe, seine Aufregung zu bezwingen, konnte aber keinen klaren Gedanken fassen. Er hatte ein einziges Mal mit der Polizei zu tun gehabt, als man ihn als Jugendlichen einmal beschuldigt hatte, eine E-Gitarre aus dem Schaufenster eines Musikgeschäftes gestohlen zu haben. Noch immer erinnerte er sich seiner Scham, als die beiden Uniformierten an der Wohnungstür geklingelt und mit seiner Mutter gesprochen hatten. Bis heute bekam er jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn er einen Streifenwagen sah.
    Er überlegte einfach anzurufen, ohne seinen Namen zu nennen. Er konnte sagen, was er gesehen hatte, und wiederauflegen. Aber sofort fürchtete er, dass man das Telefonat aufzeichnen und später seine Stimme übers Fernsehen ausstrahlen würde. Er konnte auch einfach schweigen. Irgendwer würde die Frau finden und es melden. Er wollte keine Schwierigkeiten.
    Bis zum Krankenhaus brauchte er nicht mal zehn Minuten. Als er das Stationszimmer betrat, sah ihn Rosi freundlich an. Dann erstarb ihr Lächeln. «Wie siehst du denn aus?»
    Ohne seine Jacke auszuziehen, erzählte er, was passiert war. Vor Aufregung stotterte er ein wenig.
    «Was ist, wenn die Frau noch lebt?», fragte Rosi. «Vielleicht sollten wir einen Notarztwagen hinschicken.»
    «Nein, sie ist tot. Und ich bin sicher, sie ist nicht von selbst gestorben.»
    «Was meinst du damit?»
    «Ich glaube, sie wurde umgebracht.»
    «Umgebracht? Wie kommst du denn darauf?»
    «Ich weiß nicht, aber ich bin sicher.»
    «Was machst du dann noch hier? Du musst zur Polizei gehen.»
    Nikolas Schäfer zögerte einen Moment. Dann nickte er. «Ja, ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich etwas später anfange. Es bleibt doch bei heute Abend?»
    Rosi sah ihn an. «Ja», sagte sie, «ich freu mich schon.»
     
    Als der dritte Tropfen Wasser auf seinen Schreibtisch fiel, schaute Hauptkommissar Robert Marthaler an die Decke seines neuen Büros und begann zu brüllen.
    «Nicht schon wieder!», schrie er. «Verdammt nochmal, nicht schon wieder!»
    Elvira öffnete vorsichtig die Tür und streckte den Kopf herein. Obwohl nur zehn Jahre älter als er selbst, war seine Sekretärin im Lauf der Zeit zu einer Art

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