Untitled
BEI DEN RANSOMES WAR EINGEBROCHEN WORDEN.
»Wir sind überfallen worden«, sagte Mrs. Ransome. »Es ist eingebrochen worden«, korrigierte Mr. Ransome. In Häuser wurde eingebrochen, Personen wurden überfallen. Mr. Ransome war von Beruf Anwalt und fand, daß es auf Worte ankam. Allerdings war ›eingebrochen‹ ebenfalls das falsche Wort. Einbrecher sind wählerisch; sie suchen aus. Sie nehmen den einen Gegenstand mit und ignorieren andere. Es gibt eine Grenze dessen, was Einbrecher mitnehmen können: Sie nehmen beispielsweise selten Sessel mit, und Sofas sogar noch seltener. Diese Einbrecher taten das. Sie nahmen alles mit.
Die Ransomes waren in der Oper gewesen, in Cosi fan tutte (oder Così, wie Mrs. Ransome zu sagen gelernt hatte). Mozart spielte in ihrer Ehe eine wichtige Rolle. Sie hatten keine Kinder, und ohne Mozart hätten sie sich wahrscheinlich bereits vor Jahren getrennt. Mr. Ransome nahm stets ein Bad, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, und danach sein Abendessen. Nach dem Abendessen nahm er noch ein Bad, diesmal in Mozart. Er schwelgte in Mozart; er räkelte sich in ihm; der kleine Wiener wusch all den Schmutz und Ekel von ihm ab, den er den ganzen Tag lang in seinem Büro ertragen mußte. An diesem besonderen Abend hatte er ein öffentliches Bad genommen, in Covent Garden, wo sie direkt hinter dem Innenminister saßen. Auch der badete in der Musik und wusch die Sorgen des Tages von sich ab, Sorgen, die demnächst, wenn auch nur in Form einer Statistik, die Ransomes mit einschließen würden.
An einem normalen Abend teilte Mr. Ransome sein Bad jedoch mit niemandem; Mozart kam ganz persönlich zu ihm über Kopfhörer und einen Turm komplexer und fein aufeinander abgestimmter Stereogeräte, die Mrs. Ransome niemals anrühren durfte. Mrs. Ransome gab der Stereoanlage die Schuld an dem Einbruch, denn auf die hatten es die Einbrecher vermutlich in erster Linie abgesehen. Der Diebstahl von Stereogeräten ist alltäglich; nicht so der Diebstahl von Teppichböden.
»Vielleicht haben sie die Stereoanlage in den Teppich gewickelt«, sagte Mrs. Ransome.
Mr. Ransome erschauerte und sagte, wohl eher in Mrs. Ransomes Pelzmantel, worauf sie wieder anfing zu weinen.
Die Cosi war nicht besonders eindrucksvoll gewesen. Mrs. Ransome konnte der Handlung nicht folgen, und Mr. Ransome, der es nie versuchte, fand, daß die Vorstellung nicht mit den vier Aufnahmen des Werks zu vergleichen war, die er besaß. Die Schauspielerei fand er unweigerlich ablenkend. »Die wissen alle nicht, was sie mit ihren Armen machen sollen«, sagte er in der Pause zu seiner Frau. Mrs. Ransome dachte, daß es wahrscheinlich nicht nur die Arme waren, sagte aber nichts. Sie überlegte, ob der Schmorbraten, den sie bei Gasstufe vier im Backofen gelassen hatte, zu trocken werden würde. Drei wäre vielleicht besser gewesen. Er mochte sehr wohl zu trocken geworden sein, doch deshalb hätte sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Die Diebe nahmen den Backofen mit und mit ihm auch den Braten.
Die Ransomes wohnten in einem ochsenblutfarbenen edwardianischen Wohnblock nicht weit von Regent's Park. Die Wohnung lag günstig zur City, obwohl Mrs. Ransome lieber eine Wohnung weiter draußen gehabt hätte und sich mit einem Korb in einem Garten sah, irgendwie. Doch sie hatte keine Begabung in dieser Richtung. Ein Usambaraveilchen, das ihr ihre Putzfrau zu Weihnachten geschenkt hatte, hatte gerade heute morgen seinen Geist aufgegeben, und sie war gezwungen gewesen, es vor Mrs. Clegg im Schrank zu verstecken. Eine weitere vergebliche Mühe. Der Schrank war ebenfalls weg.
Sie kannten ihre Nachbarn kaum und sprachen selten mit ihnen. Von Zeit zu Zeit begegnete man sich zufällig im Aufzug, dann lächelten beide Seiten vorsichtig. Einmal hatten sie ein Paar, das auf ihrem Stockwerk neu eingezogen war, zum Sherry eingeladen, doch der Mann hatte sich als ›BigBand-Freak‹ erwiesen, wie er selbst sagte, und sie war Empfangsdame bei einem Zahnarzt und hatte Anteile an einem Appartement in Portugal. So war es irgendwie ein peinlicher Abend geworden, und sie hatten die Erfahrung nie wiederholt. Heutzutage schienen die Mieter immer schneller zu wechseln und der Aufzug immer launischer zu werden. Ständig zogen Leute ein und wieder aus, darunter auch Araber.
»Ich finde«, sagte Mrs. Ransome, »es geht zu wie in einem Hotel.«
»Ich wünschte, du würdest nicht immer ›ich finde‹ sagen«, sagte Mr. Ransome. »Es fügt dem Sinn nichts
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