Die Delegation
Durch Vergleich mit bekannten Spektrallinien ergab sich als Bauformel der Kohlenwasserstoff Tetramethyl-1,3-Cyclohexadin in Verbindung mit Titanium, Molybdän und Praseodym.«
Marshall schreibt an eine Tafel eine chemische Vortitel. Die einzelnen Teile der Formel verbindet er zu einem sechseckigen Ring. Roczinski faßt zusammen.
»Es handelt sich also nicht um Glas, sondern um eine komplexe metallorganische Verbindung, die sich zu einer sehr widerstandsfähigen Kristallstruktur aufbauen läßt. Ein Riesenmolekül, in der internationalen Härteskala nur einen Punkt unter dem Diamanten. Thank you, Mister Marshall…
Ja, das war alles hochinteressant, obwohl Sie vielleicht von der Analyse genausowenig verstanden haben wie ich, aber leider bringt es uns keinen Schritt weiter. Denn für eine mysteriöse Herkunft dieser Pyramide findet sich an ihrer Oberfläche keinerlei Beweis.
Und rätselhaft bleibt auch der eingeschlossene Kern, zumindest solange wir die Pyramide nicht zerstören, zum Beispiel mit einem Laserstrahl aufschneiden. Und rätselhaft bleibt auch der Verwendungszweck.«
40
Ein Institut. Vollgepackt mit technischen Geräten. Eine Stabantenne wird aufgebaut, ein Oszillograph, ein Meßgerät zum Sichtbarmachen elektrischer Schwingungsvorgänge, wird justiert.
Roczinski steht inmitten dieser hektischen Betriebsamkeit und referiert vor der Kamera:
»Die Andeutungen der Lehrerin Miß Cumber scheinen auf eine Art ›Untersuchung‹ hinzuweisen, die von diesen Leuten mit ihr oder an ihr vorgenommen wurde. Wir haben uns deshalb an das Institut für Raumfahrtmedizin in San Antonio/Texas gewandt.«
Die Vorbereitungen zu unserem Experiment sind abgeschlossen. Ein Wissenschaftler gibt das Zeichen:
»Ready?«
Hinter einer dicken Glasscheibe, im Nebenraum, steht eine Assistentin, nickt und zeigt die Kristallpyramide vor. Wieder ein Zeichen. Die Assistentin setzt die Pyramide auf das Zifferblatt einer Armbanduhr.
Aus dem Lautsprecher tönt nun rhythmisches Jaulen, im gleichen Takt springt ein Leuchtpunkt über den Schirm des Oszillographen, Schreibstifte malen die entsprechenden Kurven auf eine Papierrolle. Roczinski beobachtet und erklärt in die Kamera:
»Was Sie jetzt hören, ist nicht etwa das Ticken dieser Uhr. Es werden vielmehr die Spannungsfelder der Induktionsströme hörbar gemacht, die durch die Bewegung der Unruh und der Feder in der Uhr entstehen.«
Der Institutsleiter gibt wieder ein Zeichen. Die Assistentin im Nebenraum nimmt die Kristallpyramide von der Armbanduhr und setzt sie sich auf die Stirn. Das Poltern und Rauschen während der Bewegungen wird nun von einem feinen Summen abgelöst. Die Assistentin schließt die Augen. Auf dem Oszillographen wandert der Leuchtpunkt nun auf unregelmäßigen, zitternden Kurven.
Die Versuchsanordnung funktioniert wie ein drahtloses EEG – ein Elektro-Enzephalogramm, mit dem der Arzt die Gehirnströme mißt.
»Natürlich war es mehr Zufall, daß man hier auf die Eigenschaften, auf die Funktionsfähigkeit dieses seltsamen Gegenstandes gestoßen ist.
So merkwürdig die Ergebnisse dieser Untersuchung auch sind, meine Erzählung von der Herkunft der Pyramide erzeugt hier leider nur ein ungläubiges Lächeln. Die Assistentin fragte mich: ›Ist das ein Souvenir aus Moskau?‹«
Sie hat die Augen wieder geöffnet, lacht durch die Scheiben. Sofort verändert sich der Ton im Lautsprecher, ein lebhafter Rhythmus bestimmt nun Leuchtpunkt und Schreibkurven. Der Institutsleiter meldet sich zu Wort:
»This seems to be a special sort of relay…«
»Man vermutet hier hinter diesem Objekt eine Art Relais, eine Kombination von Empfänger, Verstärker und Sender. Feinste Spannungsfelder, die sich jeder Messung entziehen würden, aber auch galvanische Felder von Nervenströmen, werden verstärkt und weitergesendet. – Wohin? Nun, vermutlich dorthin, wo man sie auswerten kann. Wo das sein könnte – das wissen wir nicht. Aber der Sender wirkt auch über größere Entfernungen.«
Der Institutsleiter winkt aus dem Fenster. Unten auf dem Parkplatz setzt sich die Assistentin wieder die Pyramide auf die Stirn – auf die Handfläche – auf die Uhr. Deutlich kommen aus dem Lautsprecher jeweils charakteristische Signale. Roczinski betrachtet die sich verändernden Kurven auf der Papierrolle.
»Was hier mit einer improvisierten Versuchsanordnung bereits verblüffend gut funktioniert, läßt sich mit einer dazu passenden Originalempfangsanlage vermutlich ins
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