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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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rußigen
Pilzgift. Schuld, gemeine, spitze Schmerzen. Alakar riß seine Augen von Vernas
Augen los, die mit seinen verschmolzen waren, eine moosige Legierung auf seiner
Iris. Dann würde er das Telefonspiel eben diesmal verpassen.
    Er schaltete den Anrufbeantworter ab
und hechtete zum Telefon.
     
    »Verna Albrecht«, sagte Verna in ihrem
muntersten Tonfall, »Verna von Brainonia !« Einen Moment lang hielt sie
den Atem an, und der verlorene Atem am Grunde ihrer Kehle zuckte. Am anderen
Ende der Leitung Stille, Pause, Tod, bis der Pilzsammler fragte: »Wer spricht?«
    Sie fuhr zusammen. Izzy, dachte sie.
Hallo Izzy.
    »Wer spricht?« wiederholte er.
    Verna jedoch war mit der Frage
beschäftigt, ob die Halluzination ihr Leben überdauern würde. Izzys Stimme in
Abflußschächten, Besenkammern, in Schaufenstern und Kandidaten, seine fraglose
Stimme, ein unerbittliches Geschenk.
    »Hören Sie, ist auch egal«, sagte er,
»dann bleiben Sie eben anonym. Ich möchte, daß Sie Ihre Pilze jetzt vor sich
ausbreiten. Punkt eins: visuelle Begutachtung. Vermutlich sehen Sie eine
stulpenförmige Knolle und einen weißbeflockten, fleischfarbenen Hut!«
    »Wie bitte?« sagte Verna und atmete
hörbar aus, während der Dicke neben ihr hechelnd lachte. Eine Welle beinah
geräuschloser, gurgelnder Töne schwappte ins Publikum.
    »Punkt zwei: taktile Begutachtung«,
sagte der Pilzsammler. »Das hört sich schlimmer an, als es ist. Es heißt nur:
Fassen Sie die Dinger an!«
    Das Publikum johlte, und die
Glückskäfer verbeugten sich mit heuchlerischen Blicken.
    »Nun«, sagte Verna, »aber...«, nur noch
vierzehn Minuten, es mußte ein Irrer sein, schlimmer als der obszöne Seekadett.
    »Nichts aber«, sagte der Pilzsammler
unerwartet scharf, »wobei es natürlich Ihr Leben ist, nicht meins. Aber wenn
Sie mich schon fragen, dann sollten Sie sich jetzt überwinden und feststellen,
ob die Hüte einen glatten oder geriffelten Rand haben. Glatt bedeutet: Guten
Appetit. Aber geriffelt heißt: Müllschlucker marsch, und weg damit! Auf
Wiedersehen im Pilzhimmel!«
    Auf dem Studiomonitor leuchtete das
Dia, das Manasse endlich gefunden hatte. Eine feiste Stinkmorchel, darunter
Verna in Frontalaufnahme und das Brainonia- Signet.
    »Ja«, sagte sie mit glatter Stimme,
»tatsächlich, dies scheint mir unser Mann am Pilz zu sein.« Verna blickte auf
ihren Zettel und rief:
    »Alakar Macody, Telefonkandidat und
Philosoph! Ein unbekanntes Pilzgenie unserer Zeit! Willkommen bei Brainonia, Alakar!«
     
    In Alakars Kopf tanzte eine Ratte,
rasende Menuette aus ordentlichen Trippelschritten, und die Stimme von T. S.
Eliot verkündete: Es gibt aber keine notwendige Verbindung zwischen der
Kürze des Gedichts und dem Ausdruck der Gedanken und Gefühle des Dichters. Um ihn und die Ratte wurde es dunkel, kein Trugbild, die Sonne ging unter, es
war Zeit.
    »Zwei Jahre warten Sie schon auf Ihren
großen Auftritt«, sagte Verna, »was muß ein Mensch die Pilze lieben, daß er
solche Ausdauer an den Tag legt.«
    Aus dem Hörer drang ekstatisches
Schaben, Applaus, und Alakar drehte sich zum Bildschirm, wo das Publikum
trampelnd klatschte. Unglaublich, dachte er, ich spreche mit Verna Albrecht,
nicht zu fassen, ich bin der Telefonkandidat. Jahre war es her, daß er den
Brief mehrmals abtippte. Wie er auf Antwort gewartet hatte, Tage, Wochen, bis
alle Zeit zerfallen war. Morgen für Morgen lief er anfangs noch über das
taufeuchte Gras zum Briefkasten. Manchmal schimmerte der Fluß beinah türkis
durch die beiden Eiben, und Lichtstäubchen schwirrten wie Insekten in den
kugeligen gelben Knoten der Blüten. Die Bäume hatten noch nie geblüht, deshalb
hielt Alakar es für ein Omen und wartete weiter. Später jedoch rannte er nicht
mehr den Weg herunter, sondern ging gemessen, Schritt um Schritt, bis er am
Ende aufgab.
    »Unglaublich«, sagte er mit festerer
Stimme.
    »Sie Witzbold«, sagte Verna, »Alakar — was
ist das eigentlich für ein famoser Name?«
    »Künstlername«, sagte er, »denn Kunst
ist für mich...« Als die Ratte Wort für Wort zerlegte, zerbiß und schluckte,
versagte ihm die Stimme. Unendliche Peinlichkeit, ich habe Verna Albrecht für
eine Pilzsammlerin gehalten.
    »Hab ich es mir nicht gedacht«, sagte
sie, »ein Pilzkünstler. Ja, Kunst darf alles, Kunst kennt keine Zeit. Und
trotzdem heißt es jetzt: Auf die Beine, Alakar!«
    »Ich habe aber nur noch eins«, sagte
er, während das Klatschen am Steg beunruhigend laut wurde.
    »Was denn«, fragte

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