Die Entscheidung der Hebamme
Kirchengericht landen und diesmal, als rückfällig gebrandmarkt, zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt werden.
Als der Markgraf der Ostmark Marthe vor zehn Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, war sie eine mittellose Hebamme und Heilkundige gewesen, blutjung, frisch verwitwet nach einer erzwungenen, unglücklichen Ehe, geflohen aus ihrem Dorf, wo man sie als Hexe hatte töten wollen, und auf der Suche nach Rettung für Christian, der unter falscher Anklage von seinem Feind Randolf gefangen genommen und gnadenlos gefoltert worden war. Mit Dietrichs Hilfe konnten Christians Freunde den für tot Erklärten befreien und ein Komplott gegen den Meißner Markgrafen enthüllen. Als Dank ernannte Otto den Ministerialen Christian zum Edelfreien und auf dessen Bitte hin ebenso Marthe, die erst wenige Tage zuvor Christians Frau geworden und bereit war, mit ihm das Leben von Vogelfreien zu führen. So erhöht, kehrten sie zurück in ihr Dorf, das unter Christians Leitung entstanden und schon wenig später durch die ersten Silberfunde bedeutend geworden war: Durch den Bergbau wuchs es zu einem Ort mit Hunderten Menschen, drei Kirchen und einer entstehenden Burg. Doch bis Christian Vogt dieser Burg wurde, musste er erst seinen Todfeind Randolf entlarven und bezwingen, dem Otto so lange jede Missetat hatte durchgehen lassen wie der Kaiser dem Löwen.
Nun sollte Dietrich also mit Christians Hilfe dafür sorgen, dass auch dem Löwen die Krallen gestutzt wurden.
Der Markgraf ging mit dem jungen Paar zur Mitte des Platzes. Sofort näherten sich ihnen etliche Menschen in der Erwartung, dass es gleich etwas Berichtenswertes zu sehen gäbe.
»Ich habe Euren Gemahl gebeten, gemeinsam mit mir eine Probe seines Könnens zu geben«, erklärte er der jungen Frau.
Sie neigte den Kopf leicht zurück und sah ihn prüfend an. Wie jedes Mal bei solchen Gelegenheiten spürte er das uralte verborgene Wissen, das in ihren graugrünen Augen lag.
»Ihr wollt jemanden beeindrucken … keine Frau … einen Gegner vor dem Kampf«, sagte sie fragend. »Werdet Ihr morgen Herzog Heinrich herausfordern?«
Der Markgraf ließ ihre Frage unbeantwortet, aber sein anerkennender Blick und sein vages Lächeln waren Antwort genug.
Er verzichtete darauf, sie nach dem Ausgang des Kampfes zu fragen. Nicht aus Angst, sie könnte von seiner Niederlage sprechen, denn er war sich sicher, Heinrich auf dem Turnierplatz schlagen zu können, auch wenn dieser in jungen Jahren ein gefürchteter Kämpe gewesen war. Doch er argwöhnte, es könnte seine Entschlossenheit mindern, wenn er von einem Ausgang zu seinen Gunsten hörte. Natürlich wollte auch er den Löwen entmachtet sehen. Aber gleich tot? Er fand, irgendwie gehörte es sich nicht, einen Herzog zu töten.
Statt einer Antwort betrachtete er die junge Frau vor sich ausgiebiger. Die Zeit scheint ihr wirklich nichts anzuhaben, dachte er. Man sieht ihr die fünfundzwanzig Jahre nicht an, ebenso wenig, dass sie schon drei Kinder geboren hat.
Nur eines hatte sich unübersehbar seit ihrer ersten Begegnung geändert, abgesehen von ihren Kleidern, wie sie gespottet hatte: Sie hatte gelernt, in höfischer Gesellschaft jede leidenschaftliche Regung zu verbergen. Ihre nun beherrschten Gesichtszüge hatten fast etwas Entrücktes an sich. Er wusste, es war ihr Schutzschild … und die Erinnerung an die Grausamkeiten, die sie hatte durchleiden müssen. Die kostbaren Kleider, die ihr Mann ihr schenkte, das vollendete höfische Benehmen, hinter dem sie all ihre Leidenschaft versteckte, stellten in dieser Welt einen unverzichtbaren Schutz dar.
Dietrich führte Marthe in den Kreis der Zuschauer, der sich mittlerweile gebildet hatte. Dann drehte er sich zu Christian um und zog sein Schwert. »Seid Ihr bereit?«
Auch Christian zückte seine Waffe. Auf ein Zeichen des Markgrafen rannten zwei Knappen herbei und brachten ihnen Schilde.
Den anderen jungen Burschen hatte Lukas bereits erlaubt, den Zweikampf mit anzuschauen, und sie aufgefordert, gut aufzupassen. »So etwas bekommt ihr nicht alle Tage zu sehen«, kündigte er ihnen mit fröhlichem Grinsen an, denn er hatte selbst als Knappe schon gegen Markgraf Dietrich antreten müssen – eine wahrhaft denkwürdige Bewährungsprobe.
Vor den Augen der in immer größerer Zahl herbeieilenden Zuschauer stellten sich die Männer einander gegenüber auf.
Christian überließ dem Markgrafen aus Höflichkeit den ersten Hieb. Was dann folgte, war ein so atemberaubend schneller Kampf,
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