Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
oder sich hinreichend gleichen, um dafür zu gehen, und ihre Blendlinge sind sehr allgemein, aber nicht (wie sehr oft behauptet wird) ohne Ausnahme fruchtbar. Doch ist diese nahezu allgemeine und vollkommene Fruchtbarkeit nicht befremdend, wenn wir uns erinnern, wie leicht wir hinsichtlich der Varietäten im Naturzustande in einen Zirkelschluss geraten, und wenn wir uns in’s Gedächtnis rufen, dass die größere Anzahl der Varietäten im domestizierten Zustande durch Zuchtwahl blosser äußerer Verschiedenheiten hervorgebracht worden und nicht lange gleichförmigen Lebensbedingungen ausgesetzt gewesen sind. Auch darf man besonders nicht vergeßen, dass lange anhaltende Domestikation offenbar die Sterilität zu beseitigen strebt und daher diese selbe Eigenschaft kaum herbeizuführen in der Lage ist. Abgesehen von der Frage ihrer Fruchtbarkeit besteht zwischen Bastarden und Blendlingen in allen übrigen Beziehungen die engste allgemeine Ähnlichkeit, in ihrer Veränderlichkeit, in dem Vermögen, nach wiederholten Kreuzungen einander zu absorbiren, und in der Vererbung von Charakteren beider Elternformen. Endlich scheinen mir die in diesem Kapitel aufgezählten Tatsachen trotz unserer völligen Unbekanntschaft mit der wirklichen Ursache sowohl der Unfruchtbarkeit erster Kreuzungen und der Bastarde als auch der Erscheinung, dass Tiere und Pflanzen, wenn sie aus ihren natürlichen Bedingungen entfernt werden, unfruchtbar werden, doch nicht mit der Ansicht im Widerspruch zu stehen, dass Spezies ursprünglich Varietäten waren.
Zehntes Kapitel – Unvollständigkeit der geologischen Urkunden
Mangel mittlerer Varietäten zwischen den heutigen Formen. — Natur der erloschenen Mittelvarietäten und deren Zahl. — Länge der Zeiträume nach Maßgabe der Ablagerung und Denudation. — Länge der verflossenen Zeit nach Jahren abgeschätzt. — Armut unserer paläontologischen Sammlungen. — Unterbrechung geologischer Formationen. — Denudation granitischer Bodenflächen. — Abwesenheit der Mittelvarietäten in allen Formationen. — Plötzliches Erscheinen von Artengruppen. — Ihr plötzliches Auftreten in den ältesten bekannten fossilführenden Schichten. — Alter der bewohnbaren Erde.
Im sechsten Kapitel habe ich die hauptsächlichsten Einwände aufgezählt, welche man gegen die in diesem Bande aufgestellten Ansichten mit Recht erheben könnte. Die meisten derselben sind jetzt bereits erörtert worden. Darunter ist allerdings eine von handgreiflicher Schwierigkeit; nämlich die Verschiedenheit der spezifischen Formen und der Umstand, dass sie nicht durch zahllose Übergangsglieder in einander verschmolzen sind. Ich habe auf Ursachen hingewiesen, warum solche Bindeglieder heutzutage unter den anscheinend für ihr Dasein günstigsten Umständen, nämlich auf ausgedehnten und zusammenhängenden Flächen mit allmählich abgestuften physikalischen Bedingungen, nicht gewöhnlich zu finden sind. Ich versuchte zu zeigen, dass das Leben einer jeden Art noch wesentlicher von der Anwesenheit anderer bereits bestimmter organischer Formen abhängt als vom Klima, und dass daher die wirklich einflussreichen Lebensbedingungen sich nicht so allmählich abstufen, wie Wärme und Feuchtigkeit. Ich versuchte ferner zu zeigen, dass mittlere Varietäten deßwegen, weil sie in geringerer Anzahl als die von ihnen verbundenen Formen vorkommen, im Verlaufe weiterer Veränderung und Vervollkommnung dieser letzten bald verdrängt und zum Aussterben gebracht werden. Die Hauptursache jedoch, warum nicht in der ganzen Natur jetzt noch zahllose solche Zwischenglieder vorkommen, liegt im Prozesse der natürlichen Zuchtwahl selbst, wodurch neue Varietäten fortwährend die Stelle ihrer Stammformen einnehmen und dieselben vertilgen. Aber gerade in dem Verhältnise, wie dieser Prozess der Vertilgung in ungeheurem Maße tätig gewesen ist, muss auch die Anzahl der Zwischenvarietäten, welche vordem auf der Erde vorhanden waren, eine wahrhaft ungeheure gewesen sein. Woher kömmt es dann, dass nicht jede geologische Formation und jede Gesteinsschicht voll von solchen Zwischenformen ist? Die Geologie enthüllt uns sicherlich keine solche fein abgestufte Organismenreihe; und dies ist vielleicht die handgreiflichste gewichtigste Einrede, die man meiner Theorie entgegenhalten kann. Die Erklärung liegt aber, wie ich glaube, in der äußersten Unvollständigkeit der geologischen Urkunden.
Zuerst muss man sich erinnern, was für Zwischenformen
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