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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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wurde müde und bleiern. Er schaute zum Erdhügel, und obwohl es so dunkel war, als stehe er hinter einem undurchsichtigen Vorhang, wusste er, dass er allein war und niemand vor ihm tanzte mit einer grünen Mütze auf dem Kopf.
    Er hatte, das begriff er jetzt, nicht aus Übermut und Lust gelacht, sondern aus Furcht. Weil die alte Angst ihn wieder gepackt und geschüttelt und seine Stimme in Hysterie versetzt hatte, die Angst seines bisherigen Lebens. Dieses Leben wollte er ablegen wie einen zwecklosen Mantel, den er nicht loswurde, ganz gleich, wie oft er nackt über die Erde kroch und um Vergebung flehte. Er war der Mann, den sein Schatten warf, auch jetzt, lang nach Mitternacht im lichtlosen Wald. Und wenn er, zurück in der Hütte, die Daunendecke um sich schlang und vor den Resten des Kaminfeuers kniete, nahm sein Schatten ihn mit ins stickige Labyrinth seiner Träume, aus denen er stundenlang nicht mehr herausfand. Bis zum Morgen glühte sein Körper in Schweiß. Und wenn er dann aufstand und zur Tür wankte, fürchtete er nichts mehr, als sie zu öffnen. Jedes Mal glaubte er, die junge Frau steht draußen und fragt ihn, wo er so lange gewesen ist. Und er hat keine Antwort außer: Ich hab dich nicht gefunden. Aber das kümmert die Frau nicht mehr, denn sie hört nicht mehr und sieht nicht mehr und hat keinen Hunger mehr, sie hat ihre Fingernägel gegessen, alle zehn, und niemand hat ihr das verboten, weil sie alleine war da unten in der Kiste.
    » O GOTT !«, schrie er so laut, wie er zuvor gelacht hatte, und das Echo kam zurück mit GOTT .
    Dann wandte er sich um und blickte hinunter in die Schlucht, wie er es immer am Ende seiner Übung tat. Und er atmete erleichtert auf. Er hörte ein sanftes Rascheln, wie Katzenpfoten auf Stanniolpapier, und er wusste, Asfur war in der Nähe und passte auf, dass er keine Dummheiten machte.
    Also hob der Mann den rechten Arm und winkte in die Dunkelheit, und für eine Sekunde hörte das Rascheln auf, und er dachte: Er winkt mir zurück. Und er hatte wieder dieses leichte Brennen in der Brust, das seinen Schmerz linderte, zumindest eine Zeit lang, und dafür war er Asfur dankbar, denn es war dessen Winken, das ihm Linderung brachte, ohne dass er je begreifen würde, wie dies möglich war.
    Vielleicht wurde er langsam verrückt. Aber er hatte noch Hoffnung, ja, er hatte noch Hoffnung.

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    Erster Teil
    1
    Schöner Planet im Spiegel
    A n einem Tag wie diesem konnte sie es nie fassen, dass sie immer noch in einem Büro arbeitete, immer noch um sieben Uhr aufstehen musste und sich durch den Morgenverkehr quälen, die aggressiven Gesten der Autofahrer und die gequälten Scherze der Radiomoderatoren ertragen, einen Parkplatz suchen und sich vom Pförtner fragen lassen, ob auf der Leopoldstraße wieder Stau gewesen war. An Tagen wie heute blieb sie länger als sonst, viel länger, auf dem Rücken liegen und starrte an die Decke. Und eine Frage, in roter fluoreszierender Schrift, leuchtete dort oben auf:
Wieso, verdammt noch mal, bin ich Beamtin geworden?
, und sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie die Sonne in ihr Zimmer schien und die Gegenwart wie ein Eiswürfel einfach wegschmolz.
    An einem Tag wie diesem, der trostlos trüb und farbenlos begann, an dem die Müllmänner die Container über den Asphalt scheppern ließen und sich lauter interessante Dinge zuschrien, ein unverständliches Gemisch aus Bayerisch und Türkisch – an so einem Tag verpasste Sonja Feyerabend ihrem piependen Digitalwecker eine Ohrfeige, drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke.
Wieso, verdammt noch mal
 …
    Das Telefon klingelte, und sie erschrak.
    Bis sie aus dem Bett gestakst, den Apparat erreicht, ihn herumgedreht und leise gestellt hatte, explodierten die Sekunden in ihrem Kopf, und ihr Fauchen klang bedrohlich.
    »Ja!«
    Niemand meldete sich. Sonja legte sofort auf und knallte den Apparat aufs Fensterbrett, wo er unter den langen Blättern einer Palme ein Schattendasein führte; das war weiter nicht von Bedeutung, da Sonja kaum private Anrufe erhielt, und wenn doch gelegentlich jemand versuchte, sie zu erreichen, ging sie meist nicht dran. Im Laufe der vergangenen Jahre hatte sich ihr Freundeskreis auf eine Frau und drei Männer reduziert, mit denen sie regelmäßig Kontakt hatte, wobei sie die Frau lediglich im Fitnesscenter traf und anschließend zu einer Reihe von Weißbieren, was ihre Freundschaft aber nicht vertiefte. Von den drei Männern lebte einer als Makler in

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