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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Wogen des Aberglaubens seine Trilogie »Die drei Städte« entgegen, um im Lande Voltaires Vernunft und Wissenschaft gegen die Kirche, l˜infâme, wie Voltaire sie nannte, zu verteidigen.
    In der politischen Situation des Jahres 1873 allerdings schien ihm als Antwort auf die Provokationen der klerikalen Kreise noch ein Band zu genügen, der nur die Heuchelei, Niedertracht, Machtgier, die menschliche und politische Unsauberkeit der entscheidenden kirchlichen Vertreter bloßstellte, ohne die Lehre selbst anzugreifen oder widerlegen zu wollen. Innerhalb dieser Grenzen aber hat sich Zola keine Möglichkeit entgehen lassen, in den vielfältig nuancierten Priestergestalten – dem weichlichen, ästhetisierenden, nur auf seine Ruhe bedachten Bischof, dem intriganten, hartherzigen Fenil, dem salongewandten und eleganten Surin und schließlich dem ehrgeizigen, skrupellosen Abenteurer Faujas, der Marthes Liebe ebenso kaltblütig ausnutzt, wie er bewußt und kaltblütig das Verbrechen an Mouret zuläßt – den wahren Charakter nicht nur der Verhältnisse unter dem Kaiserreich, sondern gerade auch der herrschenden neuen »moralischen Ordnung« anzuprangern.
    Historischer Roman und Zeitgeschichte flossen auch hier wie so oft in Zolas Werken zusammen, weil ihm seine Kunst nicht müßige Spielerei, sondern immer und immer wieder Waffe und Werkzeug im täglichen Kampf um eine bessere Zukunft der Menschheit war.
    Dabei entging Zola mit viel Takt der Gefahr einer billigen Schwarzweißmalerei. Gerade der liebenswerte, etwas hilflosnaive Abbé Bourrette und der mit ihm befreundete greise Compan, die von ihren Amtsbrüdern so rücksichtslos überspielt werden, unterstreichen nur die Wahrheit des Gesamtbildes. Ebenso geschickt hat Zola die Vertreter der beiden politischen Hauptparteien in dieser Provinzstadt ausgewählt und geschildert und hier wie immer den Nachdruck auf die Darstellung der moralischen Verkommenheit der herrschenden Kreise – ganz gleich, ob in Paris oder in Plassans – gelegt. Musterbeispiele für die versteckte Ironie Zolas sind dabei ähnlich wie im »Bauch von Paris« die politischen Leitsätze, mit denen er die Bande des Unterpräfekten und die Bande der Rastoils kurz vor den Wahlen (der Roman spielt zwischen 1857 und 1863) ihre Gespräche zieren läßt. Wenn sie sich im Garten Mourets in den Unterhaltungen mit Faujas über die Grundsätze ihrer Wahllosungen verständigen und von der »Konsolidierung der großen Prinzipien«, ohne die keine Gesellschaft bestehen könne, von der »notwendigen Erhaltung der Familie, des Eigentums und der Religion«, reden oder wenn der gerade wegen seiner Charakterlosigkeit von Faujas in Aussicht genommene Kandidat Delangre das Grundprinzip seiner künftigen Politik mit den Worten »Freiheit in der Ordnung und Ordnung in der Freiheit« charakterisiert, dann hat Zola mit solchen Formulierungen die ganze Klischee und Phrasenhaftigkeit der damaligen bürgerlichen politischen Parteiprogramme in aller Klarheit erfaßt und karikiert.
    Aber »Die Eroberung von Plassans« ist nicht nur ein in vielerlei Hinsicht noch aktueller antiklerikaler, politischer Roman, sie ist auch eine ausgezeichnet gelungene psychologische Studie. Man hat die Gestalt Marthes oft an Therese Raquin herangerückt und darauf hingewiesen, daß Zola im Jahr der Ausarbeitung der »Eroberung von Plassans« die dramatisierte Fassung der »Therese Raquin« auf die Bühne brachte. Sicher hat der Vergleich der beiden Werke eine gewisse Berechtigung, wenn man ihn auf die mit unerbittlicher innerer Logik abrollende Charakterentwicklung bezieht. Flaubert, der sich zweifelsohne darauf verstand, hat gerade auch diese Seiten der »Eroberung von Plassans« in seinem Brief an Zola rühmend hervorgehoben. Aber aussagemäßig steht »Die Eroberung von Plassans« in diametralem Gegensatz zu »Thérèse Raquin«, wo es Zola peinlich vermeidet, in irgendeiner Form offen Partei zu ergreifen, Schlüsse zu ziehen. In der »Eroberung von Plassans« läßt er seine Gestalten ihre Strafe nicht nur in den mit schicksalhafter Notwendigkeit eintretenden Folgen und Auswirkungen ihrer bösen Taten finden, sondern er straft sie wirklich. Denn entweder werden sie sich ihrer moralischen Schuld bewußt, erleiden nicht nur instinktmäßig die Auswirkungen wie in der »Thérèse Raquin«, oder sie gehen durch ein rächendes Gericht im beinahe biblischen Sinne zugrunde. Dadurch rückt dieses Werk Zolas in gewisser Beziehung in die Nähe Victor Hugos,

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