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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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fragte sie, »hat die Musik gespielt?«
    »Sie spielt jeden Donnerstag«, antwortete Octave. »Es ist nicht recht von dir, Mama, nicht hinzukommen. Die ganze Stadt ist da, die Fräulein Rastoil, Madame de Condamin, Herr Paloque, die Frau und die Tochter des Bürgermeisters … Warum kommst du nicht?«
    Marthe blickte nicht auf; sie murmelte, während sie ein Loch fertigstopfte:
    »Ihr wißt doch, Kinder, daß ich nicht gerne fortgehe. Ich bin hier so ungestört. Außerdem muß jemand bei Désirée bleiben.«
    Octave öffnete die Lippen, aber er sah seine Schwester an und schwieg. Er blieb da, pfiff leise vor sich hin, schaute zu den Bäumen der Unterpräfektur hoch, die vom Spektakel schlafen gehender Spatzen erfüllt waren, und musterte Herrn Rastoils Birnbäume, hinter denen die Sonne unterging. Serge hatte ein Buch aus seiner Tasche hervorgeholt, das er aufmerksam las. Es herrschte eine andächtige, von stummer Zärtlichkeit warme Stille bei dem angenehmen gelben Licht, das nach und nach auf der Terrasse verblich. Marthe, die inmitten dieses Abendfriedens keinen Blick von ihren drei Kindern ließ, machte lange, regelmäßige Stiche.
    »Kommt denn heute alles zu spät?« fing sie nach einer Weile wieder an. »Es ist gleich sechs Uhr, und euer Vater kommt nicht nach Hause … Ich glaube, er ist nach Les Tulettes hinübergegangen.«
    »Ach ja!« sagte Octave. »Dann ist das nicht verwunderlich … Die Bauern von Les Tulettes lassen ihn nicht mehr los, wenn sie ihn haben … Handelt es sich um einen Weinkauf?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Marthe, »ihr wißt ja, daß er nicht gern von seinen Geschäften spricht.«
    Von neuem trat Schweigen ein. Im Wohnzimmer, dessen Fenster zur Terrasse hin weit offenstand, deckte die alte Rose seit einer Weile den Tisch und klapperte mit dem Geschirr und dem Tafelsilber. Sie schien sehr schlechter Stimmung zu sein, stieß die Möbel hin und her und brummelte abgehackte Worte. Dann pflanzte sie sich an der Tür zur Straße auf, reckte den Hals und schaute in die Ferne zum Place de la SousPréfecture. Nach einigen Minuten Wartens kam sie auf die Freitreppe und rief:
    »Na, kommt Herr Mouret nicht zum Abendessen nach Hause?«
    »Doch, Rose, warten Sie«, antwortete Marthe friedfertig.
    »Es brennt nämlich alles an. Da ist kein Sinn und Verstand bei. Wenn der Herr solche Ausflüge unternimmt, sollte er doch vorher Bescheid sagen … Mir ist es ja schließlich gleichgültig. Das Abendessen wird nicht zu genießen sein.«
    »Glaubst du, Rose?« sagte hinter ihr eine ruhige Stimme. »Wir werden es trotzdem verspeisen, dein Abendessen.« Das war Mouret, der nach Hause kam.
    Rose wandte sich um, sah ihrem Herrn ins Gesicht, war gleichsam drauf und dran loszuplatzen; aber angesichts der absoluten Ruhe dieses Antlitzes, in dem ein Schimmer bürgerlicher Spottlust hervorbrach, fiel ihr nicht ein Wort ein, und sie machte sich davon.
    Mouret ging auf die Terrasse hinunter, wo er, ohne sich hinzusetzen, umherstapfte. Er begnügte sich damit, Désirée, die ihm zulächelte, mit den Fingerspitzen einen leichten Klaps auf die Wange zu geben. Marthe hatte aufgeblickt; nachdem sie ihren Gatten angesehen hatte, schickte sie sich an, ihr Nähzeug in ihren Tisch zu räumen.
    »Sind Sie nicht müde?« fragte Octave, der auf die weißbestaubten Schuhe seines Vaters sah.
    »Doch, ein bißchen«, antwortete Mouret, ohne weiter von dem langen Weg zu sprechen, den er eben zu Fuß zurückgelegt hatte. Aber er erblickte mitten im Garten einen Spaten und eine Harke, die die Kinder wohl dort vergessen hatten. »Warum werden die Geräte nicht wieder reingebracht?« schrie er. »Ich habe es hundertmal gesagt. Wenn es geregnet hätte, wären sie verrostet.« Er ärgerte sich nicht weiter. Er ging in den Garten hinunter, holte selber den Spaten und die Harke, die er hinten in dem kleinen Gewächshaus sorgsam aufhängte. Während er wieder zur Terrasse hinaufstieg, durchstöberte er mit den Augen alle Winkel der baumbestandenen Gartenwege, um zu sehen, ob alles schön aufgeräumt war.
    »Lernst du deine Schulaufgaben?« fragte er, als er an Serge vorbeikam, der nicht von seinem Buch abgelassen hatte.
    »Nein, Vater«, antwortete der Junge. »Das ist ein Buch, das mir Abbé Bourrette geliehen hat, der Bericht über die ›Missionen in China‹.«
    Mouret blieb plötzlich vor seiner Frau stehen.
    »Was ich fragen wollte«, begann er, »ist niemand gekommen?«
    »Nein, niemand, mein Freund«, sagte Marthe mit

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