Die Familie ohne Namen
wiedererkannt… Das war Johann ohne Namen, der volksthümliche Held, den man unter den englischen Kugeln gefallen glaubte. Doch trotzdem erblaßte in diesem Augenblicke die Legende, welche einst seine Erscheinung umgab. Zu den Drohungen, welche gegen Bridget ausgestoßen wurden, kamen auch noch andere gegen ihren Sohn.
Johann hielt ganz ruhig Stand. Mit dem einen Arme seine Mutter unterstützend, stieß er mit dem anderen die wüthenden Männer zurück. Herr de Vaudreuil, Farran, Clerc und Lionel bemühten sich vergeblich, die Menge zurückzuhalten. Als Vincent Hodge sich dem Sohne des Angebers seines Vaters gegenüber sah, den er von Clary de Vaudreuil geliebt wußte, da wallte in ihm der Zorn auf und drohte ihn zu übermannen. Dennoch unterdrückte er seine Rachegelüste und dachte nur daran, das junge Mädchen gegen die feindseligen Angriffe zu schirmen, die ihr die edle Ergebenheit gegen Bridget Morgaz einbrachte.
Daß derartige Empfindungen sich gegen diese beklagenswerthe Frau äußern konnten, daß man die Verantwortlichkeit für den abscheulichen Verrath des Simon Morgaz auch noch auf ihre Schultern überwälzte, war gewiß eine empörende Ungerechtigkeit und ließ sich nur begreifen von einer erregten Volksmenge, der im ersten Augenblicke jede Ueberlegung abging; daß aber auch die Erscheinung Johanns ohne Namen diese nicht in ihrem Wahnwitze gebändigt, nach Allem, was man doch von diesem wußte, das überschritt jede Grenze.
Die Empörung, welche Johann gegenüber solcher niedrigen Gesinnung empfand, war so groß, daß er, jetzt bleich vor Zorn und nicht mehr roth vor Scham, mit einer den Lärm übertönenden Stimme ausrief:
»Ja, ich bin Johann Morgaz und das ist Bridget Morgaz!… So schlagt uns doch nieder!… Wir verlangen weder Euer Mitleid, noch mögen wir Eure Verachtung! Du aber, meine Mutter, richte Dich noch einmal auf, vergieb denen, die Dich beschimpften, Dich, die beste, die ehrbarste aller Frauen!«
Dieser Haltung gegenüber hatten sich die erhobenen Arme wieder gesenkt, dennoch riefen noch viele wilde Stimmen:
»Hinaus mit der Familie des Verräthers!… Hinaus mit Allem, was Morgaz heißt!«
Wiederum drängte sich die Menge näher heran an die Opfer des Wahnsinns, um diese von der Insel zu verjagen.
Da sprang Clary vor.
»Unselige, Ihr werdet ihn anhören, ehe Ihr seine Mutter und ihn von hier vertreibt!« rief sie dem tollen Haufen entgegen.
Verblüfft durch den energischen Eingriff des jungen Mädchens schwiegen Alle still.
Da begann Johann mit einer Stimme, aus der die Verachtung ebenso herausklang wie seine Empörung:
»Ich brauche hier nicht darzulegen, was meine Mutter durch die Ehrlosigkeit ihres Namens schon Alles hat leiden und erdulden müssen; wissen sollt Ihr aber, was sie Alles gethan, um dieses Brandmal auszulöschen. Ihre beiden Söhne hat sie einzig erzogen in dem Gedanken, sich zu opfern und auf alles Erdenglück zu verzichten. Deren Vater hatte die canadische Heimat verrathen – sie sollten nur zu dem Zwecke leben, dieser ihre Unabhängigkeit wieder zu geben. Und nachdem sie einen Namen abgelegt, der überall gerechten Abscheu erregte, da zog der Eine durch die Grafschaften, von Kirchspiel zu Kirchspiel, um Parteigänger für die nationale Sache zu werben, während der Andere sich bei jedem Aufstande in die vordersten Reihen der Patrioten stellte. Der Letztere steht hier vor Euch. Der Andere, der Aeltere, war der Abbé Joann, der meine Stelle im Fort Frontenac einnahm, der unter den Kugeln der Henker gefallen ist…
– Joann… Joann todt! rief Bridget schluchzend.
– Ja, meine Mutter, todt, wie Du uns hast schwören lassen zu sterben… todt für sein Vaterland!«
Bridget war neben Clary de Vaudreuil niedergesunken, welche, ihre Arme um die schluchzende Frau legend, ihre Thränen mit denen der unglücklichen Mutter mischte.
Aus der durch diesen rührenden Auftritt gefesselten Menge hörte man jetzt nur noch ein dumpfes Gemurmel, aus dem sich jedoch immer noch der unüberwindliche Abscheu vor dem Namen Morgaz herausfühlen ließ.
Da fuhr Johann mit lebhafter Stimme fort:
»Das, das haben wir gethan, nicht etwa in der Absicht, einen Namen wieder zu Ehren zu bringen, der einmal für immer gebrandmarkt ist, einen Namen, den hier der Zufall Euch wieder verrathen und den wir mit unserer von Allen verdammten Familie für ewig begraben zu haben hofften. Gott hat es nicht gewollt! Und nachdem ich Euch nun Alles gesagt, werdet Ihr noch immer nur mit Worten der
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