Die Flammenfrau
zu bekommen, er riß und zerrte an den Zügeln, doch die ledernen Riemen hielten ihn wie mit einer eiserner Faust zurück.
Lursa ließ den Dolch fallen. Als das kämpfende Tier einen Augenblick lang innehielt, nutzte sie ihre Chance. Sie umklammerte den Hals des Pferdes, krallte ihre Finger in die Mähne und leckte mit der Zunge über den kleinen Schnitt. Das Pferdeblut rann ihr warm durch die Kehle. Gierig schlossen sich ihre Lippen nach dem ersten Schluck um die sprudelnde Quelle. Ihre Zunge leckte wie in einem nicht enden wollenden Kuß über die Wunde, bis die Wirklichkeit um sie herum verschwamm.
Lursa trank noch, als sie schon das Rauschen blutiger Wellen in ihrem Kopf hörte und schattenhafte Bilder sich in ihrem Kopf formten. Sie roch den Schweiß des kämpfenden Pferdes, hörte aus weiter Ferne sein verzweifeltes Wiehern und saugte immer noch fester, um die Quelle ihres Rausches bis zur Neige auszukosten.
Luovana bückte sich. Der Anblick des sich windenden Pferdes, das der Pein zu entkommen suchte, verursachte ihr Übelkeit. Sie wählte einen Stein, der nicht zu schwer war, holte aus und schleuderte ihn hinunter in den Felsenhof. Lursa wirbelte herum. Luovana sah das dunkle Blut, das über Lursas Kinn hinab auf ihr rotes Gewand tropfte. Sie schüttelte sich. Diese finsteren Rituale waren nicht ihre Sache.
»Was willst du hier?« Lursa rieb sich wütend den Schenkel, wo der Stein sie getroffen hatte. »Dies hier ist nicht der Ort, an dem Frauen wie du sein sollten.«
»Laß von den Pferden ab, Lursa, und geh.«
Ein hartes Lachen erklang durch den Felsenhof.
»Macht meine kleine Schwester sich Sorgen?« Lursa nahm ein Ende ihres Umhangs und wischte damit das Blut von ihren Lippen. »Komm doch herunter und versuche einen Schluck von diesem köstlichen roten Saft. Du wirst sehen, er wird dich berauschen.« Sie kniff die Augen zusammen. »Oder machst du dir vielleicht gar keine Sorgen um mich, sondern nur um die Pferde?«
»Du hast es erraten«, erwiderte Luovana. »Und um die beiden Reiter, die draußen über das Schneefeld irren.«
»Wenn du die Pferde haben willst, mußt du sie dir holen. Spring herunter in diesen Kessel.« Lursa lachte böse. »Die Göttin wird sich freuen, dich an ihrem heiligen Ort begrüßen zu dürfen.«
»Nein.« Luovana schüttelte den Kopf. »Ich werde diesen Boden niemals betreten, aber du wirst die Pferde gehen lassen.«
Lursa bückte sich nach ihrem Dolch. »Und wie willst du mich davon überzeugen?«
»Hiermit!« Luovana hob den gespannten Bogen und zielte. »Ich würde ungern meine eigene Schwester töten.«
»So weit würdest du nicht gehen. Nicht wegen zwei Pferden.« Lursas Stimme hatte einen drohenden Ton angenommen.
»Zwinge mich nicht dazu. Binde das Pferd los und treibe es mit dem anderen zusammen hinaus auf den Paß zu«, rief Luovana, während sie die Sehne noch ein Stück weiter spannte.
»Du bist die Hüterin des Feuers, die Gwenyar würden dich holen, wenn du mich tötest.«
»Schon möglich.« Luovana ließ den Pfeil los. Zischend landete er vor Lursas Fuß. »Sei gewiß, der nächste trifft.«
Lursa trat wütend nach dem Pfeil und wandte sich dem Wallach zu. Sie löste die Zügel des Fuchses von dem Stein und schnitt ihm mit dem Dolch die Fußfesseln durch. Aufmerksam beobachtete Luovana jeden Handgriff ihrer Schwester. Lursa war zu allem fähig, wenn sie einen Dolch in der Hand hielt.
»Gut, und jetzt treib die Pferde raus. Ich werde sie mit Aysar am Rande des Kessels abholen.«
Luovana wartete noch, bis die Tiere den Felsenhof verlassen hatten, dann erst senkte sie den Bogen. Mit schnellen Schritten kletterte sie von dem Felsvorsprung wieder hinauf zu dem Hügel, wo sie Aysar zurückgelassen hatte.
»Du weißt, daß du sie nicht schützen kannst. Sie sind der Göttin geweiht«, rief Lursa ihr nach und warf den Dolch zornig gegen eine der Felsenwände, so daß er klirrend zu Boden fiel.
»Vielleicht«, murmelte Luovana leise, als sie sich auf den Rücken ihrer Stute schwang. »Vielleicht kann ich es wirklich nicht.«
3
»Bei allen Heiligen, was ist das?« Faramund blieb stehen. Am Fuß der Felsen hatten sich Schatten bewegt, die langsam auf das Schneefeld hinaustrabten.
»Ein Reiter, der uns unsere Pferde zurückbringt«, bemerkte Bruno von Falkenstein.
»Findet Ihr das nicht ungewöhnlich? Was ist das für ein seltsames Ritual, bei dem uns erst die Pferde gestohlen und dann zurückgebracht werden?«
Der
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