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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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– rosa angemalt und kein bisschen düster.
    Im Krankenhaus hatten ihr Dr. Vier, Minnies langjähriger Hausarzt, und der Psychologe  von Haus Holle, Dr. Andreas Albers, erstmals von dem Sterbehaus am Rande der Amüsiermeile erzählt. Das war kurz nach der verheerenden Diagnose gewesen, dass sie an Vaginalkrebs im Endstadium litt. 
    „Zu uns kommen Menschen wie Sie, Minnie“, hatte Dr. Albers gesagt. „Menschen, deren Lebenserwartung überschaubar ist. Menschen, die wir als Gäste aufnehmen.“„Es ist das Richtige für Sie, Minnie“, fügte ihr Hausarzt hinzu.
    Alle drei hatten geschwiegen.
    Bis Minnie die Stille brach.
    „Warum?“, lautete ihre Frage, die alles beinhaltete, was sie in diesem Moment überrollte.
    Ohne einen Blick in die Patientenakte zu werfen, hatte Dr. Albers zu einer Erklärung ausholen wollen, aber Dr. Vier war ihm zuvorgekommen.
    „Sie leiden an einem so genannten Urothel-Karzinom, das die Bedrohung eines Vaginalausbruchs in sich birgt.“ Die Worte schwebten im Raum. Und es folgten sogleich neue, diesmal jedoch von Dr. Albers.
    „Jetzt fragen Sie sich bestimmt, was ein Urothel-Karzinom ist, nicht wahr?“
    Minnie hatte genickt.
    „Ein Urothel wird auch Übergangsepithel genannt. Es ist ein Sammelbegriff für Ihr Nierenbecken, Ihre Harnleiter, Harnblase und Ihre obere Harnröhre.“
    „Habe ich Krebs?“, fragte Minnie.
    „Ja“, antwortete Dr. Albers.
    „Aber er ist heilbar, nicht wahr?“
    „Leider nicht“, sagte der Psychologe, und sah der alten Dame fest in die Augen. „Doch das ist leider noch nicht alles. Ihr Tumor kann nicht operiert werden, weil er fest verwachsen ist mit Ihrem Deckgewebe. Außerdem ist er bereits sehr groß geworden – und hat Ableger gebildet, zum Beispiel in Ihrer Lunge.“
    Reflexartig fragte Minnie: „Blute ich deshalb manchmal unten ?“
    „Ja“, entgegnete Dr. Albers. „Ihr Tumor kann jederzeit aufbrechen, und Ihre Vagina zerstören. Es besteht die Gefahr, dass Sie einen Blutsturz erleiden.“
    „Wie schlimm steht es um mich?“, fragte Minnie Dr. Vier.
    „Uns sind die Hände gebunden. Sie können diesen Krebs nicht besiegen“, sagte Dr. Albers mit klarer, warmer Stimme.
    „Was bedeutet das konkret?“ Minnies Stimme klang seltsam fremd.
    „Sie werden bald sterben.“
    Die hässlichen Wor te waren durch den Raum gehallt.
    „Wie bald ist bald?“, fragte Minnie.
    „Mit Prognosen bin ich vorsichtig“, sagte Dr. Albers. „Wenn ich Ihnen sagen würde, dass Sie noch drei Wochen leben, würden Sie die Tage abzählen. Vielleicht leben Sie viel länger. Eine Vorhersage kann sich fatal auswirken. Ich möchte nicht, dass Sie sich aufgeben.“
    „Wird es unten wieder so schmerzen?“
    Dr. Albers lächelte. „Nein – das kann ich Ihnen versprechen. Inzwischen ist die Palliativmedizin, darunter ist eine spezielle Form der ärztlichen Heilkunst zu verstehen, sehr weit fortgeschritten. Ich arbeite in einem Haus, in dem unheilbar erkrankte Menschen, deren Lebenserwartung begrenzt ist, optimal behandelt werden. Inklusive ganz viel Zuwendung und Liebe.“
    „Was werden Sie mit mir machen?“ Die Frage brannte auf Minnies Lippen.
    Daraufhin holte Dr. Albers zu einer längeren Erklärung aus, die ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen war, weil er sie Woche für Woche wiederholen musste. Er sagte sie jungen und alten Menschen, Armen und Reichen, Frauen und Männern, Maurern und Managern, Skins und Schwulen. Dabei war er jedes Mal einfühlsam. Bislang hatte jeder der Menschen, denen er die Diagnose Allgemeinzustand sterblich überbringen musste, seine Worte aufgesogen und an seinen Lippen geklebt.
    „Haus Holle ist ein Berliner Hospiz mit zwölf Zimmern – benannt nach der Millionärin Helga Holle. Diese vermögende Dame rief 1992 eine Stiftung ins Leben. Zuvor war ihre Tochter Bettina an der Autoimmunkrankheit Aids gestorben. Nach dieser Erfahrung wollte Helga Holle einen Ort gründen, an dem Todkranke ihre letzten Lebenswochen ohne Schmerzen und ohne Sorgen verbringen können. Wie in einem sehr guten Hotel und gepflegt von Ärzten, die sich auf die Anwendung der besten schmerzlindernden Medikamente der Welt verstehen – Arzneien wie Morphium, die es bei uns in verschiedenen Verabreichungsformen gibt. Zum Beispiel als Lutscher, Spritzen, Tabletten, Pflaster oder Pumpen.“
    „Heißt das, ich kann in Haus Holle geheilt werden?“
    „Leider nicht“, wiederholte der Psychologe. „Aber sobald Sie bei uns versorgt werden, müssen und

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