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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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einem Spalt weiter oben.
    »Wasser«, sagte José verblüfft. »Es ist Wasser. Das schwarze Kreuz auf meiner Karte … ist eine Quelle.«

Lied der Riesenschildkröte
    Vor tausend und tausend mal tausend Jahren
    kroch ich schon übers Lavagestein.
    Vor tausend und tausend mal tausend Jahren,
    als die Menschen noch Kinder waren,
    war der Pazifik mein.
    Vor tausend und tausend mal tausend Jahren
    schwamm ich schon mit dem Meeresgetier.
    Vor tausend und tausend mal tausend Jahren,
    ehe die Menschen den Hochmut gebaren,
    gehörten die Inseln mir.
    Tausend und tausend mal tausend Gelege
    vergrub ich wie eine geheime Idee.
    Tausend und tausend mal tausend Gelege
    schlüpften und fanden tausend Wege
    zurück in die rettende See.
    Tausend und tausend Mal bin ich gestorben
    durch des Menschen mordende Hand.
    Tausend und tausend Mal bin ich gestorben,
    ich wurde gestohlen, ich wurde verdorben,
    und einsam lag er, der Strand.
    Tausend Mal wurden Anker gelichtet,
    und ich war an Bord, in dunklem Versteck.
    Tausend Mal wurden Anker gelichtet,
    und ich lag, lebendig zu Stapeln geschichtet,
    zu Tausenden unter Deck.
    Die Menschen denken, sie können vernichten,
    die Menschen glauben, sie können richten,
    aber sie irren sich sehr.
    In tausend und tausend mal tausend Jahren,
    wenn schon längst keine Schiffe mehr fahren,
    dann spiele ich noch im Meer.

Ayudame!
Hilf mir!
    S
ie beugten sich über das kleine Becken, schöpften mit den Händen Wasser und tranken und tranken und tranken. Sie betranken sich an dem klaren Wasser, tauchten ihre Gesichter hinein, bespritzten einander damit und lachten wie kleine Kinder. Und so viel sie auch davon tranken, es floss ständig neues Wasser aus dem Felsspalt. Es war wie ein Wunder.
    Irgendwo am Grund des natürlichen Steinbeckens versickerte das Wasser wohl in der Erde, und jetzt sah Marit auch, wie viel grüner es im Umkreis der Quelle war, wie viel übermütiger und höher die Pflanzen sprossen. Sie sah, woran es lag, dass sie hier plötzlich Spuren erkennen konnte: Die Erde war nicht länger trocken und krümelig. Sie war durchdrungen von Feuchtigkeit.
    Schließlich ließen José und sie sich auf jenen feuchten Boden fallen und lagen einfach da und sahen in die Baumwipfel hinauf.
    »Wir werden überleben«, sagte José. »Auch nach der Regenzeit. Die Quelle hat genug Wasser, sie versiegt nicht so schnell.«
    »Ja«, sagte Marit. »Wir werden überleben.«
    Sie setzte sich auf und malte Linien in die feuchte Erde. Ein Schiff.
    »Nach der Regenzeit …«, murmelte sie. »Was glaubst du, wann kommt das nächste Schiff vorbei, das uns mitnehmen kann?«
    »Irgendwann«, murmelte José. »Sie … kommen nicht so nahe an die Insel heran … Vielleicht …«
    »Vielleicht kommt gar kein Schiff«, sagte Marit. »Nie. So ist es doch, nicht wahr?«
    »Ach Unsinn«, knurrte José. Und dann hieb er mit der Faust in den Schlamm, dass es spritzte. »Ist das nicht irre?«, sagte er. »Da segle ich los, um einen Schatz zu finden oder ein Nest von Spionen. Ich segle von Baltra los, einer Insel, auf der es tonnenweise Wasser in Flaschen gibt, und wozu das alles? Um Wasser zu finden!«
    »Hättest du lieber eine Kiste voll Gold und Edelsteinen gefunden?«, fragte Marit sanft. »Und wärst jämmerlich mit deiner Kiste im Arm verdurstet?«
    José schnaubte und stand auf. »Wenn wir eine Weile hierbleiben«, sagte er, »sollten wir uns einen Unterschlupf suchen. Wir ziehen in die Höhlen. Fürs Erste, allerliebste Schwester«, fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu, »muss das reichen.«
    »Fürs Erste reicht es, allerliebster Bruder«, sagte Marit.
    José wanderte allein zum Strand zurück, um Kurts Oktopusvorrat zu holen.
    Marit brach ein paar Zweige ab, band sie mit einer Kletterpflanze zu einer Art Besen zusammen und begann die größere Höhle – die mit der Bank – auszufegen. Dabei fand sie in den dunklen Schatten ganz hinten etwas Wunderbares: einen Topf und ein paar Glasscherben. Die Scherben konnte man womöglich als Messer benutzen. Der Topf war schwarz und dreckig und uralt, aber dicht. Marit säuberte ihn und holte Wasser, um das Becken in der Bank aufzufüllen. Sie besorgte Feuerholz und errichtete ein Lager aus Ästen und Blättern, auf dem sie weicher schlafen würden als auf dem bloßen Steinboden. Sie pflückte noch mehr Guaven. Ihre Hände arbeiteten rasch und sie summte dabei. Es war wie ein Spiel, das sie früher im Hof gespielt hatten, vor unendlich langer Zeit: damals, als selbst

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