Die Geschichte eines schoenen Mädchens
Bedeutung zu haben, genauso wenig wie das kindliche Verhalten der Frau oder die Taubheit des Mannes; also entschied die Witwe, dass das alles auch für sie keine Rolle spielte, obschon sie noch nie einem solchen Paar begegnet war.
Als ihr klar wurde, was getan werden musste, stieg sie die Leiter hinunter.
Im Schlafzimmer öffnete sie den Schrank ihres Mannes. Sie hatte sich schon vor langer Zeit vorgenommen, Earls Kleider wegzugeben, mittlerweile war sie jedoch daran gewöhnt, den Schrank aufzumachen, Trost im Anblick eines Hemdes zu finden und ihren Erinnerungen an die Anfangszeit ihrer Ehe, in der er seine Zärtlichkeiten nicht unterdrückte und sie ihre Zuneigung noch offen zeigte, freien Lauf zu lassen. Jetzt nahm sie ein Hemd heraus und legte es zusammen mit einer Hose und einem Jackett aufs Bett. Sie erinnerte sich, dass Earl dieses Sakko getragen hatte, als er sie zum ersten Mal mit auf die Farm nahm, kurz nachdem sie von Altoona hergezogen war, um die Stelle im Schulhaus anzutreten. Er hatte so gut ausgesehen in diesem Jackett.
Die Frau brauchte auch etwas zum Anziehen. Das, was sie auf dem Leib trug, passte ihr nicht und war fadenscheinigund abgenutzt. Die Witwe nahm ein weißes Kleid aus ihrem Schrank. Sie fand weiße Slipper, einen Schal und Unterwäsche. Dann fielen ihr die Nachwirkungen einer Geburt wieder ein, und sie grub längst vergessene Damenbinden aus dem Schrank im Bad aus.
Kurz darauf hörte sie, wie die beiden vom Dachboden stiegen und die Klappe schlossen. Die Witwe trat auf den Flur und sah ihre Besucher zum ersten Mal in voller Größe. Der Mann war vielleicht zwanzig Jahre älter als die junge Mutter – eine Naturschönheit. Ihr Haar war strähnig und ungekämmt; sie hatte zarte Knochen, war jedoch nicht ausgemergelt, wie es auf den ersten Blick erschienen war. Die Gesichtszüge der jungen Frau wirkten beinahe edel.
Die Witwe führte sie ins Schlafzimmer.
»Das ist für euch«, sagte die Witwe, und am erstaunten Gesichtsausdruck ihrer Besucherin erkannte sie, dass sie alles verstanden hatte. Die Frau gestikulierte, um die Botschaft an ihren Freund weiterzugeben. Beide näherten sich dem Bett, und ohne anzudeuten, dass sie ein Anrecht auf Privatsphäre hatten, zogen sie sich aus.
Die Witwe ging hinunter, stocherte im Feuer und deckte den Tisch. Sie würden sich niedersetzen – ihre Gäste in sauberen Kleidern – und eine ordentliche Mahlzeit zu sich nehmen, wer immer sie auch sein mochten.
Später, viele Meilen von hier entfernt, sollte sich die Witwe wundern, dass sie nicht auf das Nächstliegende gekommen war. Andererseits hätte es vielleicht niemand wissen können.
Die zwei kamen Hand in Hand in ihren frischen Kleidern die Treppe herunter – sie sahen umwerfend aus. Das Jackett betonte die Attraktivität des Mannes – er erinnerte an einen stolzen Farmer im Sonntagsstaat. Er hatte sich auch einen Hut von Earl genommen. Das Kleid und derSchal unterstrichen die Schönheit der jungen Frau. Beide strahlten.
Die Witwe legte die Hand auf die Brust, als sie auf sie zukamen. »Sie sehen traumhaft aus.«
Wumm, wumm .
Die junge Frau erstarrte und hielt den Mann zurück.
Die Witwe wirbelte herum. Wumm. Jemand hämmerte an die Haustür.
Sie schnappte nach Luft. Selbst bei dem prasselnden Regen dröhnte der Lärm im ganzen Zimmer. Die Angst stand ihren Gästen ins Gesicht geschrieben.
»Nein, nein, nein, nein!«, sagte die Frau.
Der Mann schwieg, aber er musste die Vibration des Bodens gespürt haben.
Alles ging ganz schnell. Der Witwe blieb gerade genug Zeit, sich zur Tür umzudrehen, ehe Autoscheinwerfer aufflammten und durch das Fenster neben der Tür schienen.
»Polizei«, rief eine Stimme auf der Veranda eher müde als bedrohlich.
Die Witwe wandte sich dem Paar wieder zu. Die beiden machten den Eindruck, als wollten sie davonlaufen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wohin. Sie wirbelte erneut herum und schrie, um das Prasseln des Regens zu übertönen: »Was wollen Sie?«
»Bitte öffnen Sie die Tür.«
»Es wäre mit lieber, wenn ich wüsste, warum Sie hier sind.« Sie bedeutete den beiden, zu bleiben, wo sie waren.
»Sie sind Martha Zimmer?«
»Ganz recht.«
»Ist alles in Ordnung bei Ihnen, Mrs. Zimmer?«
»Was sollte sein?«
»Machen Sie bitte die Tür auf.«
»Erst hätte ich gern eine Erklärung.«
»Machen Sie keine Schwierigkeiten. Wir sind seit Stunden unterwegs; wir wollen nur unseren Job beenden und nach Hause gehen.«
»Ich denke, die
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