Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Norman aufhängen werden, falls das passiert. Ich werde jedenfalls ganz bestimmt als Kronzeuge gegen ihn auftreten.«
Der Zusammenbruch der Weltwirtschaft von 1929 bis 1933 – heute mit Recht als die große Depression bekannt – war das entscheidende ökonomische Ereignis des 20. Jahrhunderts. Kein Land konnte seinen Folgen entkommen, mehr als ein Jahrzehnt lang wirkte es sich aus, vergiftete jeden Aspekt des sozialen und materiellen Lebens und schädigte die Zukunft einer ganzen Generation. Aus diesem Ereignis erwuchsen die Unruhen in Europa, im »ehrlosen Jahrzehnt« der 1930er-Jahre, der Aufstieg Hitlers und der Nationalsozialisten und schließlich das Abgleiten eines großen Teils der Welt in einen Zweiten Weltkrieg, der noch schrecklicher war als der Erste.
Die Geschichte des Abstiegs vom rauschenden Boom der Zwanzigerjahre in die große Depression kann man auf verschiedene Weise erzählen. In diesem Buch habe ich mich dazu entschlossen, sie zu schildern, indem ich den Männern über die Schulter schaue, die für die vier wichtigsten Zentralbanken der Welt verantwortlich waren: die Bank of England, die Federal Reserve, die Reichsbank und die Banque de France.
Als der Erste Weltkrieg 1918 endete, gehörte zu seinen zahllosen Opfern auch das Weltfinanzsystem. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte eine fortschrittliche internationale Kreditmaschine, die ihr Zentrum in London hatte, die Grundlagen des Goldstandards geschaffen und eine bemerkenswerte Ausweitung des Handels auf der ganzen Welt bewirkt. 1919 lag diese Maschine in Trümmern. Großbritannien, Frankreich und Deutschland waren beinahe bankrott, ihre Volkswirtschaften waren mit Schulden überlastet, die Bevölkerung war durch die steigenden Preise verarmt und ihre Währungen kollabierten. Nur die USA waren wirtschaftlich gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen.
Die Regierungen dachten damals, dass man finanzielle Angelegenheiten am besten den Bankiers überlassen sollte. Daher fiel die Aufgabe, die Finanzen der Welt wieder in Ordnung zu bringen, den Zentralbanken der vier wichtigsten überlebenden Mächte zu: Großbritannien, Frankreich, Deutschland und USA.
Wir untersuchen in diesem Buch die Bemühungen dieser Zentralbankiers, das internationale Finanzsystem nach dem Ersten Weltkrieg zu rekonstruieren. Es beschreibt, wie es für einen kurzen Zeitraum Mitte der 1920er-Jahre den Anschein hatte, als sollten sie damit Erfolg haben: Die Währungen auf der ganzen Welt stabilisierten sich, Kapital begann wieder frei rund um den Globus zu fließen, und es gab wieder Wirtschaftswachstum. Aber unter der Oberfläche der Prosperität gab es schon erste Risse, und der Goldstandard, den alle für einen Schutzschirm der Stabilität gehalten hatten, erwies sich als Zwangsjacke. Die finanziellen Kapitel dieses Buches beschreiben die verzweifelten und letztlich vergeblichen Versuche der Zentralbankiers, zu verhindern, dass die gesamte Weltwirtschaft in die Abwärtsspirale der großen Depression geriet.
Die 1920er-Jahre waren eine Zeit, in der die Zentralbankiers, ähnlich wie heute, mit ungewöhnlicher Macht und außerordentlichem Prestige ausgestattet waren. Insbesondere vier Männer dominieren diese Geschichte: Bei der Bank of England war es der neurotische und geheimnisvolle Montagu Norman; bei der Banque de France war es der ausländerfeindliche und misstrauische Émile Moreau; bei der Reichsbank war es der strenge und arrogante, aber auch brillante und intelligente Hjalmar Schacht, und bei der Federal Reserve Bank of New York schließlich war es Benjamin Strong, dessen energisches und kraftvolles Auftreten verdeckte, dass es sich hier um einen tief verletzten und überforderten Mann handelte.
Diese vier Männer standen während des größten Teils des Jahrzehnts im Zentrum des Geschehens. Ihre Lebensläufe und ihre Karrieren gewähren einen tiefen Einblick in diesen Abschnitt der Wirtschaftsgeschichte. Er hilft dabei, die komplexe Geschichte der 1920er-Jahre in einem menschlicheren und leichter zu handhabenden Maßstab darzustellen – die ganze traurige und vergiftete Geschichte des gescheiterten Friedens, der Kriegsschulden, der Reparationszahlungen, der Hyperinflation, der Not in Europa und der Goldgräberstimmung in Amerika, vom Boom und dem folgenden Zusammenbruch.
Jeder von ihnen beleuchtet auf seine eigene Weise die damals vorherrschende Stimmungslage in seinem Land. Montagu Norman, der sich wie Don Quijote auf seine fehlerhafte Intuition
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