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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sein! Er musste etwas von dem, was James Fitzroy gerade ge sagt hatte, falsch verstanden haben.
    »Würden Sie bitte noch einmal präzisieren, welchen Anteil meiner Beteiligung an der Spindeltop Mining Company ich wohl als Verlust ab schreiben muss?«, fragte er deshalb und er gab sich Mühe, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
    James Fitzroy hüstelte und wich seinem Blick aus. »Es handelt sich nicht um einen Anteil Ihrer Beteiligung, Mister Bourke. Ihr Verlust be läuft sich vielmehr auf die volle Summe Ihrer Beteiligung in Höhe von 25 000 Pfund * .«
    Byron Bourke erblasste und wurde von einem Schwindelgefühl ge packt, als es nun keinen Zweifel mehr an seinem finanziellen Ruin gab.
    »Und das nennen Sie eine ›wenig erfreuliche Entwicklung‹ meiner Investition?«, stieß er hervor. »Das ist nicht unerfreulich, sondern ruinös! Diese 25 000 Pfund waren, wie Sie sehr wohl wissen, ein Großteil meines Vermögens, Mister Fitzroy!«
    »Ein schmerzlicher Verlust, gewiss«, räumte der Anwalt ein und machte eine vage Geste des Bedauerns.
    »Schmerzlich? Das trifft es wohl nicht ganz, Mister Fitzroy! Von den jährlichen Zinsen habe ich das Pensionat meiner beiden jünge ren Schwestern bezahlt und sämtliche Rechnungen meines Lebens unterhalts beglichen!«
    * Diese Summe entspricht der heutigen Kaufkraft von etwa 1 Million Euro. Der durchschnittliche Wochenlohn eines Arbeiters lag in England gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei etwa 1 Pfund (= 20 Shilling).
     
    James Fitzroy schob auf der lederbespannten, rissigen Platte des Schreibtisches einige Papiere ziellos hin und her. »Nun ja, wie ich schon sagte, hat die Minengesellschaft leider nicht die hohen Erwar tungen erfüllen können, die bei ihrer Gründung letztes Jahr von fach kundigen Finanzkreisen in sie gesetzt worden sind. Aber Börsenge schäfte dieser Art haben es nun mal an sich, dass sie zu ebenso ho hen Gewinnen wie Verlusten führen können. Auch auf der Rennbahn gewinnt nicht jedes gesetzte Pferd, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben.«
    »Und mir erlauben Sie die Bemerkung, dass Sie vergessen zu haben scheinen, wie sehr Sie mich zu diesem angeblich unbedenklichen Börsengeschäft gedrängt haben!«, erwiderte Byron Bourke mit bitte rer Schärfe. »Und zwar mit allerlei fundierten Finanzplänen sowie Ih rer wortreichen Versicherung, mit der Spindletop Mining Company auf einen sicheren Gewinner zu setzen!«
    »Bei Ihren Geldanlagen stand ich Ihnen stets nur beratend zur Sei te, Mister Bourke, nicht mehr und nicht weniger!«, antwortete der Anwalt nun kühl. »Entschieden, welcher Anlage Sie den Vorzug ge ben wollten, haben letztlich allein Sie. Und ich denke, damit ist alles gesagt, was es in dieser zweifellos recht betrüblichen Angelegenheit zu sagen gibt.« Gleichzeitig erhob er sich hinter dem Schreibtisch, um ihm zu verstehen zu geben, dass er ihr Gespräch für beendet hielt.
    »Für Sie vielleicht, nicht aber für mich!«, stieß Byron Bourke grimmig hervor und sprang auf. Aber so groß sein Zorn auf den Anwalt auch war, er wusste doch auch, dass es sinnlos war, ihn in einem Prozess zur Verantwortung ziehen zu wollen. Kein Gericht würde in dieser Sache ein Urteil zu seinen Gunsten fällen. Seinen Ruin hatte er sich selbst zuzuschreiben. Das war die bittere Strafe dafür, dass er sich nie wirklich um finanzielle Belange gekümmert und dem lang jährigen Familienanwalt in diesen Dingen voller Gottvertrauen freie Hand gelassen hatte. »Sie haben mich in diese Katastrophe geritten! Würden Sie mir vielleicht einmal verraten, was ich jetzt tun soll?«
    »Aber ich bitte Sie, Mister Bourke! Von einer Katastrophe kann bei Ihnen doch wohl keine Rede sein!«, versicherte James Fitzroy mit nervöser Heiterkeit, während er rasch an ihm vorbeiwieselte, die Tür zum Vorraum öffnete und ihn hinauskomplimentierte.
    Sofort war der triefäugige Kanzleigehilfe Milton Hubbard zur Stel le, der schon bei ihrer ersten Begegnung vor einigen Jahren viel Ähn lichkeit mit einer schrumpeligen hundertjährigen Schildkröte auf zwei Beinen gehabt hatte, wie Byron Bourke sich bei seinem Anblick erinnerte. Mit der ihm eigenen stummen und servilen Beflissenheit reichte Milton Hubbard ihm Umhang, Hut und Spazierstock.
    »Sie sind doch noch jung, mein Freund«, fuhr der Anwalt indessen zungenfertig fort. »Vorgestern gerade erst siebenundzwanzig ge worden, wenn ich mich recht entsinne. Sie kommen schon wieder auf die Beine, mein Bester! Ein so vielseitig studierter Mann

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