Die letzten ihrer Art
der Mensch von Zeit zu Zeit winzige Bruchstücke davon zu sehen kriegen. Und deshalb waren kleine Inseln für uns so wichtig, um das Leben zu begreifen. Beispielsweise begannen sich auf den Galapagosinseln Tiere und Pflanzen, die von den gleichen Vorfahren abstammten, zu verändern und auf unterschiedliche Weise anzupassen, nachdem sie durch einige Kilometer Wasser voneinander getrennt worden waren. Die Inseln zerlegten uns diesen Prozeß säuberlich in seine Bestandteile und ermöglichten Charles Darwin somit jene Beobachtungen, die geradewegs zum Grundprinzip der Evolution führten.
Die Insel Mauritius brachte uns ein ebenso bedeutendes, aber wesentlich unerfreulicheres Grundprinzip näher – das des Aussterbens.
Das berühmteste von allen mauritischen Tieren ist eine große, sanfte Taube. Eine wahrhaft bemerkenswert große Taube: Sie wird annähernd so schwer wie ein gutgenährter Truthahn. Ihre Flügel haben sich schon vor langer Zeit von der Idee verabschiedet, einen solchen Brocken vom Boden heben zu wollen, und sind zu dekorativen kleinen Stummeln zusammengeschrumpelt. Nachdem sie das Fliegen aufgegeben hatte, konnte sich die Taube ausgezeichnet an die jahreszeitlichen Wechsel auf Mauritius anpassen, sich im Spätsommer und Herbst, wenn der Boden mit Früchten reich bedeckt ist, dumm und dämlich futtern, um dann während der mageren, trockenen Monate von ihren Fettreserven zu zehren und allmählich wieder abzunehmen.
Sie hatte es ohnehin nicht nötig zu fliegen, weil keine Räuber da waren, die ihr Übles wollten, und sie ihrerseits ebenfalls harmlos ist. Sie hat nie richtig begriffen, was Böswilligkeit eigentlich ist, darum ist es durchaus wahrscheinlich, daß sie sich am Strand auf einen zubewegen und einen Blick riskieren würde, vorausgesetzt, sie fände einen Weg durch die Heerscharen von Riesenschildkröten, die dort auf und ab marschieren. Da das Taubenfleisch zäh und bitter ist, hatten nicht einmal die Menschen einen Grund, sie zu töten.
Sie hat einen großen, breiten, nach unten gekrümmten, gelbgrünen Schnabel, mit dem sie ein bißchen niedergeschlagen und melancholisch wirkt, kleine, runde Augen wie Diamanten und drei lächerlich kleine Schwanzfedern. Einer der ersten Engländer, die diese große Taube sahen, sagte, daß sie »sich hinsichtlich ihrer Gestalt und Seltenheit möglicherweise mit dem arabischen Phönix messen könnte«.
Von uns wird diesen Vogel allerdings niemand mehr sehen, weil der letzte bedauerlicherweise um 1680 von den holländischen Kolonialherren zu Tode geprügelt wurde.
Die Riesenschildkröten mußten aussterben, weil sie den frühen Seefahrern ungefähr das waren, was uns heute Konservendosen sind. Sie klaubten sie einfach vom Strand und luden sie als Ballast auf ihre Schiffe, um dann, wenn sie Hunger hatten, in den Laderaum zu gehen, eine rauszuziehen, sie aufzumachen und zu essen.
Aber die große, sanfte Taube – der Dodo – wurde nur zum Zeitvertreib totgeprügelt. Und das ist es auch, wofür Mauritius am berühmtesten ist: die Ausrottung des Dodo.
Es waren schon vorher Tiere ausgestorben, nur war dies ein besonders bemerkenswertes Tier, das ausschließlich auf Mauritius existierte. Es gab ganz offensichtlich keine weiteren Exemplare. Und da nur Dodos einen neuen Dodo zustande bringen konnten, wird es auch nie wieder welche geben. Die Grenzen der Insel sind wie ein deutlicher, kräftiger Strich unter dieser Aussage.
Bis zu diesem Moment hatten die Menschen nicht wirklich auf die Reihe bekommen, daß ein Tier einfach aufhören konnte zu existieren. Es war, als hätten wir bis dahin nicht begriffen, daß etwas, das man tötet, einfach nicht mehr da sein würde. Endgültig. Nachher, in diesem Fall nach dem Aussterben des Dodo, ist man trauriger und klüger.
Am Ende schafften wir es doch noch, nach Rodrigues, einer zu Mauritius gehörigen Insel, zu fahren und nach dem seltensten Flederhund der Welt zu suchen, aber vorher gingen wir uns etwas ansehen, was Wendy Strahm sehr am Herzen lag – so sehr, daß sie ihren normalen Rodrigues-Besuchsplan umstellte, um uns höchstpersönlich hinzubringen.
Am Rand einer heißen, staubigen Straße wuchs ein alleinstehender, kleiner, buschiger Baum, der aussah, als habe man ihn in ein Konzentrationslager gesteckt.
Bei der Pflanze handelte es sich um eine wilde Kaffeesorte namens Ramus mania ; sie galt als ausgestorben. Bis 1981 ein Lehrer aus Mauritius, Raymond Aquis, in einer Schule auf Rodrigues unterrichtete und seiner Klasse
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