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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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einmal nachgefragt; offenbar konnte er mit Papier nur dann etwas anfangen, wenn es mit Zahlen bedruckt war.
    Steven lächelte, während er braunen Kandis in seinen Tee löffelte. Der Kauf war ein echter Glücksfall gewesen, der es ihm theoretisch ermöglichte, die Miete des Ladens für das nächste halbe Jahr im Voraus zu bezahlen. Trotzdem wusste er, dass er sich von dem Werk nicht würde trennen können. Alte Bücher waren für Steven wie eine Droge, allein der Geruch nach vergilbtem Papier ließ ihn schwach werden. Er liebte das Rascheln der Seiten, die Festigkeit bemalten Pergaments oder bedruckten Büttens zwischen den Fingerkuppen. Es war ein Glücksgefühl, das ihn seit seiner Kindheit begleitete und das mit nichts anderem zu vergleichen war.
    Verträumt blätterte der Antiquar durch die Grimm’schen Märchen und bewunderte die handkolorierten Stiche. Wie viele Generationen hatten dieses Buch in den Händen gehalten? Wie viele Großväter mochten ihren Enkeln daraus vorgelesen haben? Steven rührte in seinem Tee und tauchte ein in eine Welt aus Schlössern, Wölfen, Hexen und guten Feen. Er war in den Vereinigten Staaten geboren, im Hinterland von Massachusetts, wo man Deutschland noch immer mit dunklen Wäldern, Burgen und romantischen Felsen am Rheinufer gleichsetzte. Als Kind war der kleine Steven davon begeistert gewesen, doch der große Steven hatte mittlerweile lernen müssen, dass die Deutschen mehr Wert auf Autobahnen und Einkaufszentren als auf düstere Mystik legten. Das alte, märchenhafte Deutschland gab es nur noch in den Träumen amerikanischer und japanischer Touristen.
    Und eben in den Büchern.
    Das schrille Klingeln der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Verärgert blickte Steven auf und seufzte dann still vor sich hin. Offenbar sollte dieser Nachmittag doch nicht so friedlich verlaufen wie erhofft.
    »Frau Schultheiß«, murmelte er und nippte an seinem Tee. »Was verschafft mir die Ehre?«
    Eine ältere Frau mit verkniffenem Gesicht und auftoupierten Haaren hatte ohne weitere Aufforderung den Laden betreten. Jetzt nahm sie die Sonnenbrille herunter, die sie trotz des herbstlichen Nieselregens trug. Kleine eisgraue Augen blitzten den Antiquar an, trotzdem bemühte sie sich um ein Lächeln.
    »Das wissen Sie genau, Herr Lukas. Ich dachte, dass wir noch einmal über den Preis reden könnten. Mein Mann würde weitere zweitausend Euro Ablöse drauflegen, wenn Sie …«
    »Frau Schultheiß«, unterbrach sie Steven und deutete auf die schier berstenden Regalwände mit ihren Büchern, alten Jugendstil-Zeitschriften und kartonierten Stichen. »Das hier ist so etwas wie meine Wohnung. Würden Sie aus Ihrer schönen Wohnung ausziehen, nur weil Ihnen jemand ein paar tausend Euro bietet?«
    Frau Schultheiß blickte abfällig auf die einst wertvollen, mittlerweile aber zerkratzten Kirschholzregale, an denen teilweise das Furnier abgesplittert war. Staub hatte sich auf ihnen angesammelt, die Last der Bücher ließ sie an einigen Stellen durchhängen; weiter hinten im Flur standen ein paar schief gestapelte Kisten mit neu erworbenen Kostbarkeiten, die darauf warteten, ausgeräumt zu werden. Die unwillkommene Besucherin zuckte mit den Schultern, wobei sie immer noch eisern lächelte.
    »Dies hier ist keine Wohnung, sondern ein, mit Verlaub, ziemlich unaufgeräumter Buchladen.«
    »Kein Buchladen, ein Antiquariat«, warf Steven ein. »Wenn Ihnen das ein Begriff ist.«
    Frau Schultheiß runzelte die Stirn. »Dann eben ein Antiquariat. Jedenfalls keine Wohnung. Und wenn, dann in einem Zustand, dass ich nicht darin wohnen möchte.« Sie hielt inne, als sie merkte, dass dies nicht die geschickteste Verhandlungsführung war.
    »Herr Lukas«, fuhr sie milder fort. »Wann haben Sie das letzte Mal etwas verkauft? Vor zwei Wochen? Vor einem Monat? Das Westend ist keine Gegend für Bücher. Vielleicht war es das mal. Aber jetzt wollen die Leute in diesem Viertel Schuhe und Kleider kaufen und danach einen leckeren Latte macchiato trinken. Die von mir geplante Modeboutique mit integrierter Café -Lounge würde hervorragend hier reinpassen. Ich verstehe ohnehin nicht, wie Sie als Amerikaner …«
    »Mein Vater war Amerikaner, Frau Schultheiß«, unterbrach sie Steven. »Das hab ich Ihnen schon tausendmal gesagt. Ich bin genauso deutsch wie Sie oder die Bundeskanzlerin. Außerdem, was sollte ich Ihrer Meinung nach machen? Hamburger und Donuts verkaufen?«
    »Sie verstehen mich falsch«, sagte Frau Schultheiß. »Ich

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