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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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kleines Mädchen die Hand vor den Mund. »Das gleiche Packpapier, nur das Buch ist ein anderes. Ihr … ihr blasierten Idioten!« Die letzten Worte hatte der König erneut geschrien. Er hielt den zwei Schlägern den Fetzen vor die Nase. »Da hättet ihr suchen müssen. Merde! Ich lasse euch allesamt die Augen ausstechen, die Augen!«
    Er hielt inne, und sein Blick bekam etwas Gläsernes. Dann trat er auf Paul Liebermann zu und beugte sich über ihn. In aller Ruhe zog er unter dem Pelzmantel eine kleine altertümliche Pistole hervor, deren Griff einem Vogelkopf ähnelte.
    »Schlauer alter Mann«, flüsterte er. »Ihr Beamten seid alle miteinander das gleiche intrigante Pack. Fast wäre dein Plan aufgegangen. Aber das hier hat dich verraten.«
    Der König hielt ihm kichernd ein schmutziges Stück Papier vor sein nicht zugeschwollenes Auge. Wieder dauerte es eine Weile, bis sich die Buchstaben für Liebermann zu einem sinnvollen Ganzen zusammenschoben. Es schien der Abdruck eines Stempels zu sein, eine Art Exlibris, gehalten in antiker Schrift. Der Professor erkannte darauf einen Namen und eine Adresse.

    ANTIQUARIAT LUKAS
    Seltene und wertvolle Bücher des
17. bis 19. Jahrhunderts
Preise auf Anfrage

    Plötzlich läutete in Paul Liebermann eine schrille Glocke. Er durfte den Mann im Laden nicht in Gefahr bringen. Sonst war alles verloren!
    »Hören Sie«, stammelte er. »Ich … ich kann Ihnen das Buch besorgen. Geben Siemir eine Stunde Zeit und ich …«
    Doch sein Gegenüber schien mit einem Mal kein Interesse mehr an ihm zu haben. Der König legte den Finger an die Lippen und schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Verehrter Professor«, sagte er leise, »ich danke Ihnen für Ihre Mithilfe. Doch Sie werden verstehen, dass Ihr Weiterleben meinen hehren Zielen im Wege steht. Wenigstens sterben Sie für eine gute Sache.«
    Seine Exzellenz hielt dem hoch geschätzten Professor Dr. Paul Liebermann die Pistole direkt an die Stirn und drückte ab. Weiße Hirnmasse spritzte über den Waldboden und bedeckte Laub und Teile des Erlkönig-Gedichts.
    »Und jetzt holen wir endlich, was mir zusteht«, zischte der König und stolzierte so aufrecht durch den Wald davon, als würde er eine unsichtbare Parade abschreiten.
    Die leeren Augen des Professors starrten in einen nächtlichen Oktoberhimmel, an dem krächzend ein paar Krähen kreisten

1
    S teven Lukas saß an dem alten zerkratzten Mahagonischreibtisch seines Antiquariats im Münchner Westendviertel und sah zu, wie sich das Teewasser in der Kanne langsam braun färbte. Der aromatische Duft von Bergamotte und Orangenschalen stieg ihm in die Nase. Er gab dem Tee-Ei noch eine Minute, dann zog er es heraus und legte es sorgfältig neben ein paar zerfledderten Wälzern auf eine Untertasse.
    Während von der Tasse eine kleine Dampfwolke aufstieg, ließ der Antiquar den Blick durch sein kleines Reich schweifen. Er hoffte sehr, in den nächsten Stunden nicht mehr gestört zu werden. Draußen herrschte das matte Grau eines Oktobernachmittags und tauchte den kleinen verwinkelten Laden in ein dämmriges Licht. Die bis an die Decke reichenden Bücherregale warfen Schatten wie mächtige Bäume; im hinteren Teil neben der Tür, die ins Lager und in ein großes Kellerarchiv führte, stand eine Messinglampe aus den Fünfzigern und erhellte warm und gelb den Schreibtisch. Es roch nach Tee, Leder und altem Papier. Das einzige Geräusch war das Ticken einer alten Pendeluhr aus dem 19. Jahrhundert, die Steven in besseren Zeiten auf einem Münchner Antikmarkt gekauft hatte.
    Steven seufzte behaglich und wandte sich dem obersten Buch auf dem Stapel zu seiner Rechten zu. Der lederne Foliant war seine jüngste Errungenschaft. Vorsichtig schlug der Antiquar den braun verfärbten Einband auf und begann andächtig darin zu blättern. Vor ihm lag eine der ersten Auflagen der Grimm’schen Märchen aus dem Jahre 1837. Die Illustrationen, die Riesen, Zwerge, tapfere Prinzen und schmachtende Prinzessinnen zeigten, waren teils verwischt, einige Seiten sogar eingerissen. Trotzdem war der Foliant noch in einem hervorragenden Zustand. Steven vermutete, dass er fünftausend Euro, wenn nicht sogar mehr wert war. Er hatte ihn bei einer Wohnungsauflösung im Münchner Nobelviertel Bogenhausen gefunden, zusammen mit ein paar Kisten anderer Bücher auf dem Dachboden einer jüngst verstorbenen alten Dame, und dem verdutzten Neffen drei Hunderter in die Hand gedrückt. Der Banause hatte sofort zugegriffen und nicht

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