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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dem Absatz kehrt und gingen zurück zu unserer Grotta delle Rifugio.
     
    Bald danach traf ich Sebastiano wieder, dem ich jedoch nichts von unserem vergeblichen Reiseversuch erzählte. Es schien mir am einfachsten zu sein, darüber zu schweigen. Er lieh mir weitere Bücher. Ich las eine Gedichtsammlung
Canzoniere
von Matteo Maria Boiardo und im Anschluss daran die Werke
Der verliebte Roland
und
Der rasende Roland
vom gleichen Autor.
    Es folgte
Il Principe
von Niccolò Machiavelli, ein Werk, dessen Inhalt bei Sebastiano und mir zunächst fast einen Streit auslöste, weil ich darüber nicht reden wollte. An jenem Tag fehlte mir die Muße dazu. Am Morgen hatte ich Latif versprochen, ich würde ihm nachmittags beim Ausnehmen der Forellen helfen, und ich sagte zu Sebastiano: »Tut mir leid, ich habe heute keine Zeit.«
    »Du hast keine Zeit, weil du sie dir nicht nehmen willst«, antwortete er ungewohnt schroff. »Das Werk ist es wert, dass man sich mit ihm beschäftigt.«
    »Sicher, aber heute kann ich nicht.«
    »Es ist ein Exempel dafür, wie Moral und Missbrauch in der Politik verherrlicht werden.«
    »Ich kann heute nicht, ich sagte es.«
    »Moral und Missbrauch, vor allem aber Macht sind es, die darin verherrlicht werden.«
    »Entschuldige, aber du klingst fast so, als gefiele dir diese Verherrlichung?«
    »Wie bitte? Das sagst du ausgerechnet mir? Mir, der ich mich seit jeher gegen die Macht und die doppelte Moral der Kirche gewendet habe? Gegen Bischöfe, die sich Geliebte leisten, Kardinäle, die fleischliche Enthaltsamkeit anmahnen und sich in Bordellen herumtreiben, Päpste, die Kinder haben, nicht nur eins oder zwei, sondern gleich im Dutzend, von mehreren Frauen und Mätressen? Das alles sind Vorkommnisse, die ich im höchsten Maße verdammenswert finde.«
    »Vielleicht findet Machiavelli sie ebenfalls verdammenswert? Ich habe satirische Untertöne herausgelesen, die durchaus dafür sprechen.«
    »Auf jeden Fall ist Macht der Dreh- und Angelpunkt der Politik, von ihr hängt alles weitere ab, Wohl und Wehe der Bürger, ebenso wie Moral und Missbrauch. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, wer sie ausübt: Ist es ein Diktator, oder ist es ein auf Zeit gewählter Herrscher?« Er schaute mich mit einem Blick an, den ich nie zuvor bei ihm gesehen hatte, und sagte langsam: »Ich für meinen Teil wünschte mir manchmal ein wenig mehr Macht – über dich.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich zeige es dir.« Unvermittelt beugte er sich vor und küsste mich. Ich wollte etwas sagen, aber der Mund war mir verschlossen. Seine Arme umfingen mich, und er streichelte meinen Rücken, während seine Lippen sich hart auf meinen Mund pressten und ihn zu öffnen versuchten. Es tat weh, aber es war auch etwas, das ich mir insgeheim gewünscht hatte. Zögernd gab ich nach. Seine Zunge drang in meinen Mund und spielte mit meiner. Sie zog sich zurück und drang wieder vor, zog sich zurück und drang wieder vor, es war wie … Ich wollte es nicht, und ich wollte es doch. Es war schön, seltsam, verrückt. Ich, eine dreiundvierzigjährige Frau, küsste einen Priester, der kaum dreißig Jahre alt war. Es war verrückt, und es war zum Scheitern verurteilt. Ich wusste es, aber den Augenblick bis zum Scheitern, den hätte ich am liebsten bis in alle Ewigkeit hinausgezögert.
    Endlich löste ich mich von Sebastiano, schwer atmend und verwirrt. »Ich … ich sagte doch, dass mir die Zeit fehlt.«
    »Dafür war sie aber sehr anregend.« Er lachte leicht und wollte mich wieder an sich ziehen, aber ich drehte mich zur Seite. »Ich muss jetzt gehen.«
    »Kommst du morgen wieder?«
    »Nein.«
    »Übermorgen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich muss darüber nachdenken.«
    »Maria, bitte …«
    Ich sprang auf und lief nach Hause in den Schutz meiner Höhle.
     
    Der Zwiespalt zwischen Glück und schlechtem Gewissen hielt unvermindert an, als ich den Eingang erreichte. Latif war nicht da. Ich wunderte mich. Der Platz vor dem Eingang diente uns als Arbeitsplatz, an dem alle häuslichen Verrichtungen erledigt wurden, auch das Ausnehmen von Forellen. »Latif?«
    Ich bückte mich und schlüpfte in den schmalen Gang zum Felsendom. »Latif?«
    Ich hörte ihn in seiner Höhle rumoren. Er war also da. Ich wollte zu ihm gehen, aber ich tat es nicht. Nach dem, was vorgefallen war, scheute ich das Gespräch mit ihm. Du bist feige!, schalt ich mich, aber ich ging zu meinem Lager und warf mich darauf.
    Ich starrte gegen die Felsendecke, doch ich sah sie nicht. Das

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