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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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gespensterhaftes Menschengetümmel in den Straßen, Rauch. Ich sank zwischen den unbekannten Farnen auf die Knie. Dort am Ufer des Sees lag bebend im Dunst die Stadt, die ich erbauen würde, Templeton, eine Ortschaft von ungekannter Bedeutung für jenes unberührte Land, eine riesige Metropole wie Philadelphia oder London. Und als mein Blick über die Hügel schweifte, sah ich, dass sie reich gesegnet mit guten Dingen waren – weidende junge Kühe, Gärten, Weinberge, Weizenfelder. Ich würde aus diesem wilden Fleckchen Land ein großartiges Stück Zivilisation machen. Ich würde eine Stadt bauen, ich ganz allein, aus dem Nichts.
    Stundenlang muss ich dort an jenem Abhang gekauert haben, denn als ich wieder zu mir kam, schmerzten mir die Knie. Der Wind hatte meinen Blick von den zarten Staubwolken und Rauchfahnen abgelenkt, und ich begann, noch seltsamere Dinge zu schauen, etwas Riesiges, Weißes, das sich im Wasser tummelte und es aufwühlte, umgeben von einem dunkler werdenden Fleck, bevor es wieder zum Grund sank. Später war ich mir sicher, dass es nur eine Wolke gewesen war, die sich in der glatten Wasseroberfläche spiegelte, doch damals erfüllte jener Anblick mein Herz mit einem schauerlichen Kitzel, und als ich mich wieder aufrichtete, fühlte ich mich schwach und plötzlichganz kalt, als hätte mich ein schweres Fieber gepackt. Ich stand auf und machte mich auf den Rückweg durch den dunklen Wald. Erst in der kühlen Umarmung der Bäume kam mir wieder jene herrliche erste Vision in den Sinn, die ich geschaut hatte, die Stadt Templeton mit ihren Feldern und Werkstätten. Während ich mich über den feuchten Waldboden rutschend vorwärtskämpfte, legte ich das Gelübde ab, dass ich zurückkehren und diesem Platz in der Wildnis meinen Willen aufzwingen würde, den Abdruck meiner eigenen Hand. Den Berg, auf dem ich den allerersten Blick auf Templeton gewagt hatte, würde ich Mount Vision nennen, und den See, den ich geschaut hatte, Flimmerspiegelsee. Und so ging ich dahin und wähnte mich Adam höchstpersönlich, der den Fuß, ohne Sünde und mit dem Blick eines Wilden, in ein neues Eden setzte, die Sehnen noch steif vom Augenblick der Schöpfung.
    Marmaduke Temple
Um 1800; das Porträt von Gilbert Stuart hängt heute im Franklin House Museum.

Vivienne, klug und schön
    Eine junge Frau saß in einem ruckelnden Bus in der Sonne, einen schmalen Streifen Aknepickelchen auf den Wangen. Ihr Polyesterkleid war im Waschbecken einer Damentoilette auf irgendeinem Busbahnhof im Mittleren Westen schwarz gefärbt worden, eine Aktion, die offensichtlich in Eile und erst kürzlich erfolgt war: Das wilde orangefarbene Blumenmuster schimmerte immer noch durch, obwohl die Farbe einen aschigen Ton angenommen hatte, und überall, wo das Kleid ihre Haut berührte, hinterließ es schwarze Spuren, die aussahen wie Blutergüsse. Allerdings gab es nicht allzu viele Berührungspunkte mit der Haut, weil es sich um eine Art Kombination aus Tanktop und mikroskopisch kleinem Minirock handelte, die das Mädchen sowieso besser nicht getragen hätte, weil es einerseits ziemlich pummelig war und andererseits so sehr fror, dass es Gänsehaut hatte, denn es war an einem milden Februartag in San Francisco aufgebrochen, dann jedoch mitten in einem Eissturm im Staat New York gelandet. Aber natürlich spürte es die Kälte gar nicht richtig, weil es ein paar Stunden zuvor eine sehr nette kleine Pille eingeworfen hatte und in einen angenehm tiefen Schlaf gefallen war. Sein Mund stand offen.
    Die Bauersfrau, die außerhalb von Erie, Pennsylvania, den Bus bestieg, starrte das schlafende Mädchen entrüstet an und kaute an ihrer Oberlippe. Schließlich stieß sie verächtlich das Wort «Hippie» aus, über dem sie mehr als dreihundert Kilometer lang gebrütet hatte wie eineHenne auf ihrem Ei. Nun, da es heraus war, konnte endlich auch sie einschlafen, in einer Haltung, die diejenige der jungen Frau exakt widerspiegelte.
    Natürlich handelte es sich bei dem Mädchen um Vivienne, meine Mutter. Es war Anfang 1973, Vivienne war siebzehn Jahre alt und kehrte nach Hause nach Templeton zurück. Immer würde sie das Gefühl haben, dass es unter all den Rollen, die sie in ihrem Leben bereits gespielt hatte – angebetete Tochter, bourgeoise Zicke, Rebellin, Ausreißerin, kiffender Hippie aus San Francisco –, genau dieses ungezogene Mädchen war, das ihrem wahren Ich am nächsten kam; ebenso unter all den Rollen, die sie später noch spielen würde –

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