Die Nebel von Avalon
bist du wirklich Morgaine?… Ich glaube, ich weiß nicht, wer oder was du bist. Aber du sprichst die Wahrheit. Der Gral soll für immer in Avalon bleiben.«
Morgaine hob die Hand, das Kleine Volk von Avalon kam herbei, hob Galahads toten Körper auf und trug ihn schweigend zur Barke von Avalon. Morgaine hielt Lancelots Hand und folgte ihnen langsam zum Seeufer. Sie blickte auf den Toten im Boot, und flüchtig glaubte sie Artus dort liegen zu sehen. Aber das Bild verschwamm vor ihren Augen und löste sich auf. Vor ihr lag Galahad, und in seinem Gesicht spiegelten sich noch immer das Licht und ein überirdischer Friede.
»Nun reitest du mit deinem Sohn nach Camelot«, sagte Morgaine ruhig, »aber anders, als ich es vorausgesehen habe. Ich glaube, das Gesicht ist uns gegeben, um uns zu verspotten… Wir sehen, was die Götter uns zu sehen erlauben. Aber die Bedeutung des Geschauten verstehen wir nie. Ich glaube, ich werde das Gesicht nie mehr befragen, Vetter.«
»Gott gebe es.« Lancelot ergriff ihre Hände, beugte sich darüber und küßte sie. »So scheiden wir schließlich«, sagte er leise. Und obwohl sie gerade gesagt hatte, sie würde sich dem Gesicht verschließen, sah sie in seinen Augen, was er erblickte, als er sie ansah – das junge Mädchen, mit dem er unter den Ringsteinen gelegen und vor der er sich aus Angst vor der Göttin abgewendet hatte… die Frau, zu der er mit leidenschaftlichem Verlangen gekommen war, und bei der er versuchte, die schuldbeladene Liebe zu Artus und Gwenhwyfar zu vergessen… die Frau, die bleich und entsetzlich die Fackel in der Hand gehalten hatte, als man ihn mit Elaine im Bett überraschte… und jetzt die dunkle, gefaßte Herrin, umgeben von schattenhaftem Licht, die seinem Sohn den Gral reichte und ihn bat, den Gral nicht in die Welt zu bringen.
Morgaine küßte den Ritter auf die Stirn. Es bedurfte keiner Worte. Sie wußten beide, es war ein Abschied und ein Segen. Er wendete sich langsam um und schritt auf die Zauberbarke zu. Morgaine bemerkte Lancelots gebeugte Schultern und sah im Licht der untergehenden Sonne, daß seine Haare jetzt ganz weiß waren. Und wieder sah sich Morgaine mit seinen Augen und dachte:
Auch ich bin alt…
Plötzlich wußte sie, warum sie nie mehr der Königin des Feenreichs begegnete.
Ich bin jetzt die Königin. Es gibt keine Göttin außer mir, und ich bin
Sie…
Und doch ist
Sie,
und
Sie
ist in Igraine, Viviane, Morgause, Nimue und der Königin. Und sie leben auch in mir, und die Göttin … Und sie leben für alle Ewigkeit in Avalon.
14
Im fernen Lothian, hoch oben im Norden wartete Morgause auf die Rückkehr ihres jungen Geliebten Lamorak. Nur selten drangen Nachrichten über die Suche nach dem Gral bis hierher, aber nach einem halben Jahr erreichte sie die Botschaft, daß Lamorak dabei sein Leben verloren hatte.
Er ist nicht der erste,
dachte sie,
und er wird auch nicht der letzte sein, der diesem unglaublichen Wahn zum Opfer fällt. Er verleitet die Männer dazu, sich auf die Suche nach dem Unbekannten zu begeben. Ich habe
Religionen und Götter immer für eine Art Wahnvorstellung gehalten. Und was hat Artus nun davon! Ich habe meinen Lamorak verloren … er war so jung!
Nun, er lebte nicht mehr. Obwohl Morgause ihn vermißte, ihn auf ihre Weise immer vermissen würde – nur Lot hatte länger an ihrer Seite gelebt –, mußte sie sich nicht mit ihrem Alter und einem kalten Bett abfinden. Sie musterte sich prüfend in ihrem alten Bronzespiegel, wischte sich die Tränenspuren vom Gesicht und betrachtete sich noch einmal. Sie war zwar nicht mehr die reife Schönheit, der Lamorak anbetend zu Füßen gesunken war, aber noch immer eine gutaussehende Frau. Es gab genug Männer im Land – nicht alle konnten dieser Glaubenstollheit verfallen sein. Morgause war reich, Königin von Lothian, und sie besaß die Waffen einer Frau… sie war hübsch, hatte noch alle Zähne, ihre vollen roten Haare, obwohl sie Augenbrauen und Wimpern inzwischen färben mußte – sie wirkten sonst zu blaß. Ja, es würde ihr nie an Männern fehlen. Männer waren solche Narren, und eine kluge Frau konnte mit ihnen tun, was sie wollte. Morgause war weder so dumm wie Morgaine, die auf ihren guten Ruf bedacht war, noch eine jämmerliche Frömmlerin wie Gwenhwyfar, die sich nur um ihr Seelenheil sorgte. Von Zeit zu Zeit erreichten sie Geschichten von der Gralssuche, und eine klang abenteuerlicher als die andere. Man erzählte, Lamorak sei schließlich wieder auf
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