Die Pilgerin von Montserrat
erreichten den Wald und folgten in der Dämmerung einem Weg, der sich durch das Dickicht wand. Beim Erreichen einer Baumgruppe hielt Markus sein Pferd an und gab Teresa einen Wink, zu den Bäumen zu reiten. Hinter ihnen waren Hufgetrappel und das Schnauben von Pferden zu vernehmen. Mit klopfendem Herzen stand sie hinter einer der Eichen, eng an ihr Pferd gepresst. Die Wärme des Tieres drang in sie ein. Dicht neben ihr standen Markus und sein Pferd. Die Rinde des Baumes war von Rissen durchfurcht, und Teresa spürte, wie ein Insekt, ein Käfervielleicht, an ihrem Bein entlangkrabbelte. Sie unterdrückte den Wunsch, ihn abzustreifen, weil jede Bewegung sie hätte verraten können.
Das Hufgetrappel kam näher. In wildem Galopp preschten zwei Gestalten an ihnen vorüber. Ihre Mäntel wehten hinter ihnen her. Als das Getrappel verklungen war, schwang sich Teresa auf den ungesattelten Rücken ihres Tieres.
»Ich muss zurück zur Bibliothek«, sagte sie entschlossen. »Um zu retten, was noch zu retten ist. Mein Vater würde es mir niemals verzeihen, wenn ich zulasse, dass alles verbrennt!«
»Es wäre besser, du würdest es zulassen«, meinte Markus. »Aber du setzt sowieso deinen Kopf durch, ich kenne dich.«
Die Nacht war schon fortgeschritten. Ein Feuerschein erhellte die Wiesen am Berg, an dessen Rand Burg Wildenberg stand. Teresa trieb ihr Pferd zu höchster Schnelligkeit an. Eine Rauchsäule stieg aus dem Palas in die Höhe. Sie sprengte über die Zugbrücke zur Vorburg, stieg ab und sah Leute aus dem Dorf am Brunnen, die mit Eimern Wasser schöpften. In einer Kette brachten sie es in den Palas hinein. Teresa war wie von Sinnen. Warum war sie geflohen, warum hatte sie den Leuchter auf ihren Onkel geworfen und damit den Brand verursacht? Aber es stimmte ja nicht. Als sie um ihr Leben rannten, hatten nur die Kleider Werner von Wildenbergs in Flammen gestanden. Es musste ein Leichtes für ihn gewesen sein, sie zu löschen. Sicherlich hatte er absichtlich Feuer gelegt, um die Bibliothek zu zerstören.
»Wo ist Werner von Wildenberg?«, fragte sie eine Frau, die dicht bei ihr stand und den Eimer weiterreichte.
»Ich weiß nicht, ob er es war«, antwortete die Frau. »Aber als wir ankamen, lief eine Gestalt über die Zugbrücke. Das Wams und die Jacke sahen arg verbrannt aus.«
Teresa ergriff sie am Arm: »Wohin ist er gegangen? Sagt es, schnell.«
»Er ist da oben hinüber.« Sie wies nach Norden, dort, wo der Weg steil hinabging ins Tal und auf der anderen Seite zum Felsenwieder hinauf. Was sollte sie tun? Den Onkel verfolgen? Nein, sie musste sehen, ob hier noch etwas zu retten war.
Gefolgt von Markus, der inzwischen ebenfalls eingetroffen war, lief sie zur Tür des Palas, aus der stark beißender Rauch drang. Im Innern war es unerträglich heiß. Der Qualm füllte Teresas Lungen, so dass sie husten musste. Markus war an ihrer Seite. Der Rittersaal war voller Rauch, aber die Flammen hatten noch nicht auf ihn übergegriffen. Durch den Gang kamen ihnen so heiße Schwaden entgegen, dass ein Durchkommen unmöglich war. Markus verschwand in der Küche und kehrte mit zwei Tüchern zurück, die er in Wasser getränkt hatte. Teresa presste das Tuch vor den Mund und rannte, so schnell sie konnte, durch den Gang hindurch, immer gefolgt von Markus. In der Bibliothek lagen verkohlte Binsen auf dem Boden, die Bücherwände standen in hellen Flammen. Teresa hustete so sehr, dass sie fürchtete, die Besinnung zu verlieren. Es schien ihr, als würden alle Härchen an ihrem Körper verbrennen. So musste es den Frauen und Männern auf den Scheiterhaufen ergangen sein. Die Chronik, wo hatte sie nur die Chronik hingelegt? Jetzt fiel es ihr wieder ein. Sie musste auf dem Schreibpult ihres Vaters liegen. Mühsam kämpfte sie sich durch Hitze und Rauch hindurch. Auf dem Schreibpult, das noch unversehrt dastand, war nichts zu sehen. Hatte Werner … nachdem er ihr alles zerstört hatte, musste er ihr auch noch das Letzte nehmen! Sie schwankte und wäre beinahe zu Boden gefallen. Markus hielt sie fest.
»Er hat sie mitgenommen«, stieß sie unter Tränen hervor.
»Ist doch besser, als wenn sie verbrannt wäre. Komm!« Er zog sie ein Stück mit sich. Nahe am Fenster stand ein Regal, dessen Bücher noch unversehrt waren. Teresa konnte sich keine Zeit nehmen, die Titel zu lesen. Sie ergriff einige von ihnen und stolperte durch den Raum zur Tür. Krachend fiel ein anderes Regal in sich zusammen.
»Es wird höchste Zeit – wir müssen
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