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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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kommen. Stöhnend versuchte er sich zu erheben, konnte sich aber nicht rühren. Eine dunkle Gestalt ragte über ihm auf, den erhobenen Kopf zur Seite gedreht, und lauschte und beobachtete in vollkommener Regungslosigkeit. Für einen Moment sah Sano ein Dreiviertelprofil, das von silbernem Mondlicht übergossen war. Dann beugte die Gestalt sich nach vorn. Starke Hände packten Sanos Arme.
    »Nein«, flüsterte er, hatte aber nicht die Kraft, sich zu wehren.
    Er spürte, wie er in die Höhe gehoben wurde. Der Boden unter ihm kippte auf die Seite und verschwand, als die Gestalt sich Sano auf den Rücken legte. Mit seinem letzten bewußten Gedanken fragte sich Sano, ob sein Retter doch keine Halluzination gewesen war oder ob einer der Angreifer ihn fortschleppte, um ihn einer noch schlimmeren Marter zu unterziehen, als er sie bereits erlitten hatte.
    Dann schwemmte eine schwarze Woge alle Gedanken und körperlichen Empfindungen fort, und Sano versank in Bewußtlosigkeit.

26

    W
    ärme, sanft und umhüllend. Das leise Plätschern von Wasser. Schmerz. Zuerst fern und dumpf, dann immer stärker und schärfer.
    Sano kam aus der Tiefe der Bewußtlosigkeit empor wie ein Taucher, der die Oberfläche eines tückischen Meeres durchbricht. Er riß die Augen auf. Ein Licht, blendend hell, bildete eine grelle Sonne vor seinem Sichtfeld. Sano stöhnte vor Furcht und Verwirrung. Er konnte sich nicht erinnern, was geschehen war; er wußte nicht, wo er sich befand. Er spürte nur, daß er auf dem Rücken lag und sich in Gefahr befand. Er mußte entkommen! Doch seine Bemühungen, sich zu bewegen, machten den Schmerz nur noch schlimmer. Dann spürte er, daß jemand sich neben ihm befand, und fühlte eine sanfte Berührung an der Wange. Die plötzliche Panik brachte ihn vollends zur Besinnung, und als sein Blick klar wurde, stieß er scharf den Atem aus.
    Im goldenen Licht der Lampe schwebte Aois ernstes Gesicht über ihm. Sie tupfte ihm mit einem feuchten weißen Tuch Stirn und Wangen ab. Die Ärmel ihres grünen und weißen Kimonos waren bis über die Ellbogen aufgerollt. Als sie Sanos Blick begegnete, lächelte sie schwach: ein leichtes Kräuseln von Licht auf ihren stillen, ernsten Zügen.
    »Ihr seid wach. Gut.«
    Sano setzte sich auf und stöhnte, als er die geschundenen Muskeln anspannte. In seinem Kopf drehte sich alles. Als er sich halbwegs gefangen hatte, erkannte er, daß er sich in seinem Schlafgemach befand; er sah die getäfelte Decke, den bemalten Wandschirm, die Schränke und Truhen aus Lackarbeit, und die brennenden Holzkohlebecken. Dann schaute er an sich hinunter und schauderte vor Entsetzen.
    Bis auf seinen Lendenschurz war er nackt. Sein Körper war von Schmutz, Schweiß und Blut gesäubert, doch dunkelrote und blaue Prellungen bedeckten Brust, Arme und Beine. An den Knien und auf den Handflächen waren tiefe Schürfwunden. Mit einemmal kehrte die Erinnerung zurück: die wilde Jagd über das Palastgelände, die Prügel. Sano fiel wieder ein, daß er auf dem Weg zu Aoi gewesen war.
    Aoi legte ihm eine Hand auf die Brust und drückte ihn sanft, aber bestimmt auf den Futon zurück. »Bleibt still liegen, während ich Eure Wunden behandle«, sagte sie leise.
    Ihre heisere Stimme beruhigte Sanos Sinne; ihre Schönheit ließ trotz der Schmerzen das Verlangen in ihm aufflammen. Dann aber erinnerte er sich daran, weshalb er Aoi hatte treffen wollen.
    »Wie bin ich nach Hause gekommen?« fragte er und setzte sich wieder auf. »Was tut Ihr hier?«
    »Eine Streife der Palastwache hat Euch bewußtlos im Fukiage gefunden und hierhergetragen.« Aoi begegnete Sanos Blick und hielt ihm gelassen stand; in ihren Augen lagen vollkommene Offenheit und Ehrlichkeit. »Eure Diener haben mich hergerufen, weil ich die Heilkünste beherrsche.«
    Sie wies auf den Fußboden neben sich, wo Sano drei Tabletts erblickte, auf denen sich verschiedene Gegenstände befanden: ein Mörser und Stößel aus Stein; Tassen und Löffel aus Ton; ein dampfender Teekessel; Schüsseln aus Lackarbeit, welche mit scharf riechenden, gekochten grünen Zwiebeln gefüllt waren, die auf die Wunden gelegt wurden, um den Schmerz zu lindern; in Tee getränkte Stofflappen, um die Schwellungen einzudämmen, und gelbes Kurkuma-Pulver gegen Entzündungen. Aus dem Teekessel stieg der würzige Geruch von Ginseng auf – jener hochgeschätzten Wurzel, die eine gleichermaßen kräftigende wie beruhigende Wirkung besaß und die Widerstandskraft des Körpers gegen Krankheit und

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