Die Sau und der Mörder
gewisse Hassgefühle meinerseits ließen sich deshalb nicht leugnen. Aber dieser Anruf würde Xtras Tod bedeuten, und das war mir moralisch nun doch zu heikel. Was also tun?
Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die nachdenkliche Stille. Scheiße. Ich stopfte dem Dobermann den Hörer ins Maul und spurtete ins Nachbarzimmer. Kein schönes Bild: Der große Dichterfürst lag etwas kopflos auf dem dicken Teppich. Irgendwie war es ihm gelungen, die Kordeln zu lösen, und dann hatte er sich eine Pistole an den Schädel gehalten und abgedrückt. Nichts wie weg hier.
Während der Rückfahrt zu meinem Kotten rief ich Sarah Müller an, die sich zwar grundsätzlich erfreut über meine detektivischen Fähigkeiten zeigte, Vaganz aber gerne selbst erledigt hätte. Ich war diesen Dreck satt, deshalb teilte ich ihr mit, wohin sie den Scheck schicken sollte, und legte auf.
Zu Hause fiel ich wie ein Stein ins Bett.
27
I ch schlief bis in die Puppen. Als ich gegen Mittag endlich aus dem Bett gekrochen und eine leckere Tiefkühlmahlzeit vertilgt hatte, widmete ich mich meinem Bücher- und Tonträgerfundus. Den gesamten Tag verbrachte ich mit der Lektüre einiger Klassiker bei anständiger Musikbeschallung; Bettinas liebevoll gestaltete CDs spielten dabei die Hauptrolle. Nach all den aufregenden Tagen genoss ich den Müßiggang in vollen Zügen. Nachdem ich mir im Sportkanal die Bundesliga Classics der Saison 1997/1998 angeschaut hatte, war der produktive Donnerstag auch schon wieder vorbei.
Am nächsten Morgen weckte mich das Klappern des Briefkastens. Mit Pantoffeln und Bademantel bewaffnet schlurfte ich zur Tür. Im Schlitz steckten der Dülmener Kurier und mehrere Briefe. Als Erstes riss ich ein unbeschriftetes, unfrankiertes Kuvert auf, und heraus segelte ein Verrechnungsscheck über 7000 Euro für investigative Dienstleistungen; ausgestellt von einer Export-Import-Firma mit dem sinnigen Namen »Transnett«. Das waren 2000 Euro über der vereinbarten Summe. Zusammen mit den 5000 Strippen aus Lienens Kühlschrank, die ich selbstverständlich nicht dem Direktor der Dülmener Sparkasse gemeldet hatte, und Vaginowskis Überweisung ergab das ein Sümmchen, für das eine alte Frau lange stricken musste. Nicht zu vergessen die Penunzen, die ich von Bettina bekommen hatte.
Ich war reich!
Flott die Zeitungsbeilagen durchblättern, was ich mir jetzt so alles leisten konnte. In diesem Zusammenhang konnte ich auch gleich mal den Lokalteil studieren.
Bingo!
Ein an Erfüllung reiches Leben fand ein tragisches Ende
von Gerhard Tilke.
Der Dülmener Kurier beklagt den Tod seines langjährigen freien Mitarbeiters Xtra Vaganz. Vaganz wurde gestern Nacht erschossen in seiner Wohnung aufgefunden. Die Polizei, so Oberwachtmeister Ludger Reichert gegenüber dem DK, geht von Suizid aus.
Xtra Vaganz machte sich mit den Gedichtbänden Es grünt im Grünen Grünes grün und Orchideen durchbrechen Asphalt einen Namen in der zeitgenössischen Literaturlandschaft. »Sein Tod ist ein unermesslicher Verlust für die Dülmener und die bundesdeutsche Literatur«, erklärte Vaganz’ Kollege und Freund Heiner Hein.
Den Lesern des DK werden Xtras lyrische Kleinode wie Sing lauter, kleine Nachtigall oder Hochgewachsene Muse im Abendkleid in unvergesslicher Erinnerung bleiben. Zum Gedenken werden wir in den kommenden Wochenendbeilagen Gedichte unseres lieben Verstorbenen abdrucken.
Unter dem Nachruf befand sich ein Gedicht namens Puste dem Sensenmann mutig ins Gesicht, das Vaginowski eine Woche vor seinem Tod verfasst hatte. Tilke warf die literaturgeschichtlich wichtige Frage auf, ob Vaganz seinen gewaltsamen Tod erahnt hatte. Da mich die Antwort nicht interessierte, faltete ich das Käseblatt zusammen.
Bei den übrigen Briefen handelte es sich ausschließlich um Prospekte von Autofirmen, die ich angeschrieben hatte. Jetzt konnte ich es mir ja leisten.
Es polterte an der Tür. Schnell in Jeans und T-Shirt geschlüpft und kalte Luft in die Wohnung gelassen. Überraschung! Grabowski stand in Begleitung einer durchaus ansehnlichen jungen Dame auf dem nicht vorhandenen Fußabtreter.
»Du hast mich heute Nacht sitzen gelassen, du Judas«, fauchte Gurkennase mich zur Begrüßung an.
»Willst du mir nicht erst mal deine Begleiterin vorstellen ?«
»Ach ja«, hellte sich Peters Miene schlagartig auf. »Schwester Renate. Sie hat den armen Herrn Lienen als Letzte lebend gesehen und war ganz verzweifelt. Ich habe sie getröstet und durfte freundlicherweise
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