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Die Seelenzauberin

Die Seelenzauberin

Titel: Die Seelenzauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Gefühle reagierte, die zusammenhanglos von einem Geist zum anderen flossen.
    Begehren ist Macht , erklärte sie.
    Es fiel ihr zunehmend schwerer, sich auf andere Menschen einzulassen. Sie schaffte es kaum noch, jene andere – so mächtige, so urtümliche! – Seele auszuschließen und sich auf menschliche Worte und Gedanken zu beschränken. Ihr zweites Ich war ausschließlich auf sich bezogen, jede Regung wurde sofort in die Tat umgesetzt. Im Gegensatz dazu musste sich eine menschliche Königin mit Intrigen und Machenschaften herumschlagen, sie musste jedes Wort auf die Goldwaage legen und genau den richtigen Ton treffen, um anschließend zu studieren, welche Wirkung sie erzielt hatte. War es nicht viel leichter, nur für den Augenblick zu leben, einfach zu sein ? Manchmal beneidete Siderea ihre Konjunkta.
    Ein kurzer Blick in den Spiegel: Sie war zufrieden. Die Vitalität des Seelenfressers hatte ihr wieder Farbe auf die Wangen gezaubert, und das Rot ihrer Lippen brauchte nicht mehr künstlich vertieft zu werden. Lediglich ein Hauch Kajal schwärzte die Wimpern und betonte ihre großen schwarzen Augen. Ihren Körper umhüllten mehrere Lagen roter Seide, ein geflochtener Gürtel lenkte den Blick auf ihre Figur. Nadeln mit Perlenköpfen spitzten aus den dichten schwarzen Locken, die ihr Gesicht umrahmten, während ihr der Rest des Haares in langen Wellenkaskaden über die Schultern fiel. Wenn sie so auftrat, konnte ihr kein Mann widerstehen. Vielleicht auch keine Frau.
    Sie wählte lange Ohrringe, die bei jeder Bewegung leise klirrten, besprühte sich mit einem ihrer dezenteren Düfte – hier hatten Männer und Frauen einen sehr unterschiedlichen Geschmack! –, und dann war sie fertig. Sie spürte ein seltsames Flattern im Magen – die Erregung des Seelenfresser-Weibchens? Sah es ihr beim Ankleiden zu? Siderea blieb – nur für alle Fälle – noch etwas länger vor dem Spiegel stehen. Was meinst du? , flüsterte sie ihrer Konjunkta zu. Sie bekam keine Antwort. Doch als sie den Raum verließ und ihr die Seidenröcke um die Knöchel flatterten, schickte sie ihr einen Gedanken: Jetzt wirst du ohne Flügel fliegen lernen.
    Petrana Bellisi wartete in der Vorhalle. Sie stand rasch auf, als Siderea eintrat, und sank in einen kurzen Knicks. Offensichtlich war sie nicht ganz sicher, welche Form der Begrüßung die Hexenkönigin auf ihrem eigenen Territorium von ihr erwartete. Das Glas Wein, das neben ihr stand, war noch voll. Das werden wir ändern müssen , dachte Siderea.
    »Meine liebe Petrana.« Siderea breitete herzlich die Arme aus, und als die Besucherin zögerte, trat sie vor, umarmte sie und drückte ihr auf jede Wange einen zarten Kuss – gerade so lange, dass Petranas Wangen sich sanft röteten; die junge Frau war an einen derart vertraulichen Umgang nicht gewöhnt.
    Sie trug ein blaues Seidengewand, eine seltsame Wahl für einen Sommernachmittag. Der Ausschnitt war um einiges tiefer, als man es bei ihr gewöhnt war; vielleicht hatte sie sich deshalb für dieses Kleid entschieden: Sie wollte Sidereas Rat befolgen und weniger streng erscheinen. Allerdings hatte sie sich einen Schal umgelegt und so in den Ausschnitt gesteckt, dass er alle eventuell vorhandenen weiblichen Reize wirksam verbarg. Wäre der Schal aus dünnerer Seide oder kunstvoller drapiert gewesen, so hätte er als verführerischer Blickfang dienen und zur Suche nach verborgenen Schätzen anregen können. So jedoch wirkte er eher wie ein schützender Panzer.
    Für den Körper oder für die Seele? , fragte sich Siderea.
    »Eure Majestät sind so gütig, mich zu empfangen.«
    Die Hexenkönigin schüttelte den Kopf und legte der Besucherin ihren parfümierten Finger auf die Lippen. »Ruhig, mein Kind. Keine Titel. Das dulde ich nicht.« Sie nahm Petranas Hand und drängte sie, sich wieder vor ihr Weinglas zu setzen. »Ihr seid in meinem Heim, nicht an einem fremden Hof. Nennt mich Siderea.« Sie bedeutete einem wartenden Diener, auch ihr ein Glas zu bringen.
    … und hörte in ihrem Kopf ein leises Knurren, als ihr der Duft ihrer Besucherin in die Nase stieg …
    »Ein wunderschönes Kleid«, murmelte sie. Die fremde Stimme in ihrem Geist hatte sie erschreckt. Sie strich mit den Fingern über einen von Petranas Ärmeln bis hinunter zum Rand, unter dem das feine weiße Hemd hervorlugte. »Sendalesische Seide, nicht wahr? So herrliche Blautöne findet man nirgendwo sonst.« Man reichte ihr das Glas; sie hob es an die Lippen, hielt kurz inne und

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