Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
Vom Netzwerk:
aber sonst doch zäh geblieben. Zäh wie Unkraut. Das hat ihm die Mutter
an der Wiege gesungen. Unkraut vergeht nicht, wie der dümmste Bauer weiß. Den
Krupp, die Masern und das Fisselfieber hat er überstanden, dazu viele
Hungerwinter, die Übergriffe der Preußen und all deren Launen … Er wird gewiss
steinalt werden. So alt wie sonst nur Könige und Päpste. Dass diese Ruhr derart
lange andauert, ist nur ein Zeichen, ein kleiner Wink des Schicksals. Und soll
ihm sagen, dass er älter und schwächer wird, sich vorsehen muss.

    Haferschleim, Möhren, Pastinaken. Lisbeth kocht ihm alles,
was der Doktor gesagt hat. Mit Petersilie. Petersilie hilft immer. Und kochen
kann sie, die Lisbeth. Ja, das muss man ihr lassen. Ihre Sülze schmeckt besser
als manche teure Pastete vom Klever Markt. Doch sonst ist sie zu nichts nütze.
Vor mehr als einem Dutzend Jahren hat er sie geheiratet, fast ohne Mitgift,
weil sie verwaist war. Aber jung. Und lieblich, wie es schien. Lisbeth sollte
ihm endlich die Kinder gebären, die seine erste Frau nicht bekommen hatte, ehe
sie starb. Doch auch Lisbeth hatte sich bald als taube Nuss erwiesen. Ist
obendrein einfältig, starrt in brennende Kerzen, ritzt Runen in Stühle, Tische
und Truhen, gibt den Katzen Milch und den Bettlern Butter aufs Brot.

    Da! Der Schlüssel schabt im Schloss, die Haustür fiept.
Sie ist heimgekehrt. Na warte, er wird ihr was erzählen! Ihn ohne ein Wort
allein zu lassen! Die Fensterläden nicht aufzumachen! Ein gewachstes Tuch in
sein Bett zu legen!

    »Lis…bbbb…!« Ein neuer Schwall will sich in seiner Kehle
sammeln. Er hält die Luft an, schluckt die bittere Brühe tapfer hinunter,
lauscht. Lisbeth flüstert wie ein Pferdedieb. Und ein Mann gibt Antwort. Klar
und fest, und doch so leise, dass nichts zu verstehen ist. Hat sie einen Gast
mitgebracht? Gut so! Er wird aufstehen, sich von ihr waschen und anziehen
lassen, den Gast willkommen heißen und nach seinen Wünschen fragen. Wird ihm
ein Zimmer zuweisen, Lisbeth sagen, was sie zum Abendmahl bereiten soll, und
darauf achten, dass sie auch die Pferde versorgt. Das ist genug Arbeit am Tag
für einen blinden alten Mann und er wird sich hernach wieder hinlegen. Aber
zeigen muss er sich den Gästen. Immer. Die Lisbeth nimmt ja doch keiner ernst.
Die würde in der Gosse enden.

    Da! Sie stapfen die Treppe herauf, langsam. Es klopft an
der Tür, zaghaft. Das Dummvieh kann doch keinen Gast zu ihm hereinführen! Nicht
jetzt, nicht so. Einen Wirt, der mit Dünnschiss im Bett liegt, dürfen die Gäste
nicht sehen. Sonst machen sie sich gleich wieder davon.

    Die Tür springt auf, frische kühle Luft weht herein,
Schritte. Endlich Lisbeths Stimme.

    »Bist wach, Lieber?«, fragt sie, tritt an sein Bett und streicht
ihm mit ihren rauen Fingerkuppen den Schweiß von der Stirn. »Der Herr Pastor
ist da!«

    Es rumpelt. Das sind die Fensterläden, die sie öffnet. Es
kratzt. Ein Streichholz, das sie entzündet.

    Ein Schemen erscheint im Türspalt, eine spindeldürre Gestalt.
Unverkennbar der Pastor. Was will der hier?

    Der Pastor kommt näher, tritt in den Rahmen des Fensterlichts,
breitet die Arme aus und fragt mit Grabesstimme: »Bist du bereit, die heiligen
Sakramente zu empfangen, mein Sohn?«

    Sa-kra-mente? Das Wort durchzuckt ihn wie ein Blitz. Sein
Leib erzittert, seine Kehle will unter der Wucht des erneut sich sammelnden
heißen Suds zerreißen. Da schwappt sie aus ihm heraus, aus seinem eigenen Leib
schwappt die Sintflut von Lissabon, schlägt über seinem Kopf zusammen, nimmt
ihm den Atem, dass er würgen muss, dass seine Augen aus den Höhlen treten. Und
besser sehen als je. Ein fernes Licht sehen sie, ein Feuer, das lodert. Es
lodert, wie die Brandnacht von Lissabon gelodert haben muss. Doch das ist nicht
Lissabon. Mitten in den Flammen, da tanzen die Sumpfhexen mit den Nibelungen.
Das ist – die Hölle!

    Der Schreck reißt ihn aus dem Kissen, die Kehle wird
frei. Er schreit. Schreit, so laut er kann.
    »Jaa, die Sa-kraaa…«

    Ein Beben ergreift ihn. Das Erdbeben von Lissabon! Es
wütet in seinen Knochen, es durchschüttelt ihn, dass ihm die Augen aus dem Kopf
fallen und sein Herz aufreißt.

    Und es wird wieder finster in der Stube.

2          Lisbeth

     
    Der Karren mit dem Holzsarg holpert hinter der
Mähre her, ruckt bei jedem Stein, hakt bei jedem Lehmloch. Die ganze lange
Straße zum Dorf hinunter klappert das Gefährt, dass es Lisbeth schaudert. Eine
Schar Krähen flattert aus den alten

Weitere Kostenlose Bücher