Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
dann rasch auszusteigen.
»Hier leben Leute, die sich einen Spaß daraus machen, mit Steinen zu werfen. Passen Sie lieber auf, wenn Sie hier zu Fuß unterwegs sind«, warnte er seinen Fahrgast.
Hoikens lächelte. Er kannte die Gegend mittlerweile und wusste, dass Jaagups Leute in den Straßen patrouillierten, damit ihm die Russen nicht in die Quere kamen. Trotzdem
würde er froh sein, wenn er dieses Stadtviertel und auch ganz Estland wieder verlassen konnte. Braune Kameraden hin oder her, auf Dauer waren ihm General Ghiodolfio und Hochwürden Weihrauch als Gesprächspartner lieber als Männer von Jaagups Format. Der Kerl dachte nicht weiter als bis zur nächsten Prügelei.
»Halten Sie dort an!«, forderte Hoikens den Taxifahrer auf und reichte ihm ein Bündel Scheine nach vorne. Der Mann nahm sie, ohne nachzuzählen, und trat auf die Bremse. Den anderen Fuß behielt er auf der Kupplung, um sofort weiterfahren zu können.
Während das Taxi wieder verschwand, betrat Hoikens das Haus, in dem sein estnischer Gastgeber wohnte, und stieg die Treppen zu dessen Wohnung hoch. Mazzetti hatte ihn kommen sehen und erwartete ihn bereits an der Tür.
»Und? Was gibt es?«, fragte er gespannt, denn in den letzten Tagen war Hoikens stets später gekommen.
Der Deutsche grinste und machte mit der Rechten die Geste des Telefonierens. »Du kannst unseren Freunden Bescheid geben. Die Feier findet heute Abend statt. Abu Musa soll sich exakt an den Zeitplan halten.«
Mazzetti nickte eifrig. Abu Musa war Renzos Tarnname, unter dem dieser das Kommandounternehmen durchführte. Er würde aber nicht Renzo direkt informieren, sondern über mehrere Verbindungsmänner, damit das Gespräch nicht zurückverfolgt werden konnte.
Hoikens hatte darauf bestanden, dass Renzo den Empfang über dieselbe Relaiskette bestätigen musste, damit er seinen Zeitplan mit dem des Stoßtrupps abstimmen konnte. Mazzetti und er durften nicht zu früh beim Schloss eintreffen, aber auch nicht so spät, dass sich die Aufregung bereits wieder gelegt hatte.
Das Klingeln seines Handys schreckte Mazzetti auf, und
er brachte es kaum fertig, den Empfangsknopf zu drücken. »Hier Nero«, sagte er nur.
»Die kapitolinischen Gänse fliegen!«, hörte er, dann wurde die Verbindung unterbrochen. Sein Blick suchte Hoikens, der gerade seine Waffe durchlud.
»Wir können!«
»Es wird auch Zeit!« Hoikens rief nach Jaagup, der mit einer fast leeren Wodkaflasche aus der Küche kam und erst einmal lautstark aufstieß.
»Wir müssen aufbrechen. Aber kannst du überhaupt fahren? «, fragte Hoikens.
Jaagup winkte großspurig ab. »Das bisschen Wodka macht überhaupt nichts. Ich habe schon viel mehr getrunken und bin dann noch zweihundert Kilometer von einem Kameradentreffen nach Hause gefahren.«
Mazzetti teilte Hoikens’ Befürchtungen und zupfte diesen am Ärmel. »Wäre es nicht besser, wenn einer von uns fährt?«
»Wir kennen die Stadt zu wenig, um die Schleichwege zu finden, die wir benützen müssen. Allerdings wäre es auch mir lieber, Jaagup wäre nüchtern.« Sein Blick versprach dem Esten nichts Gutes, sollte sein Vorhaben durch dessen Schuld gefährdet werden.
NEUNZEHN
F ür Hauptmann Renzo war es wie eine Erlösung, als einer seiner Männer ihm das Handy reichte und er das Codewort vernahm, mit dem ihm der Einsatzbefehl übermittelt wurde.
»Es geht los!«, sagte er zu Tino, der das zweite Boot befehligen sollte.
»Dem Himmel sei Dank! Ich dachte schon, wir müssten hier Wurzeln schlagen.« Tino lachte und brüllte eine faschistische Parole, die von den meisten Männern begeistert aufgenommen wurde.
Renzo drehte sich ärgerlich um. »Seid still, ihr Idioten! Ab jetzt sind wir gefährliche arabische Terroristen. Wenn einer von euch mich anspricht, dann mit dem Namen Abu Musa, und Tino nennt ihr gefälligst Faruk. Habt ihr mich verstanden? «
Er hatte dieses Spiel in den letzten beiden Tagen bereits mehrfach durchgeführt, um seine Männer entsprechend zu schulen. Sie grinsten nur und verteilten sich dann auf die beiden Boote. Auch das hatten sie in den letzten Tagen oft genug geübt. Zu Beginn hatte keiner von ihnen glauben wollen, dass auf ein so kleines Schiffchen je dreißig Mann mit der gesamten Ausrüstung passen würden. Inzwischen hatten sie sich, wie Tino lachend erklärt hatte, in perfekte Sardinen verwandelt.
Renzo sah zu, wie die Männer Planen über sich zogen, damit sie nicht von zufällig vorbeikommenden Schiffen gesehen werden konnten.
Weitere Kostenlose Bücher