Die Terranauten 078 - Durchbruch nach Shondyke
ich schon nicht mehr mit einem Mann oder einer Frau geschlafen?
Sie spürte Lust, und sie wußte, daß sie keine Zeit hatte, um sich Befriedigung zu verschaffen.
Das Schicksal der Erde – und vielleicht auch des ganzen Reiches – hing von den Entscheidungen der nächsten Stunden und Tage ab.
Nun stand sie vor dem massiven Stahlprotopschott, hinter dem der Konferenzraum lag, und vor ihrem geistigen Auge erschienen die Gesichter der Cosmoräle.
Gambelher, der bullige, schwarzhaarige Kriegsherr mit dem breiten, plumpen Gesicht und den schmalen Frauenhänden, der die Aufstände auf Stormprime und Janitzar mühelos mit nur wenigen Legionen niedergeschlagen hatte … Gambelher drängte schon seit zwei Tagen zum Zuschlagen, und sein dumpfer männlicher, militaristischer Verstand vermochte einfach nicht einzusehen, warum Chan noch zögerte.
Ein Hitzkopf, ein Dickschädel, ein Narr, dachte die Große Graue abschätzig, aber der beste Kriegsherr seit dem Tod der Cosmoral Phan vor dreißig Jahren …
Und da war Cosmoral Ansyn Crow, die Logistikerin, die die schwere, fast unlösbare Aufgabe hatte, nach dem Ausfall von Shondyke die Nachschubwege neu zu regeln, die Lücken zu stopfen und den Rückzug der Garden von allen Kolonien jenseits der 800-Lichtjahr-Grenze zu organisieren.
Ihr war es zum größten Teil zu verdanken, daß die Garden Shondykes Abschottung verhältnismäßig glimpflich überstanden hatten.
Allerdings würden die Probleme in naher Zukunft größer werden.
Bald mußte sich der Nachwuchsmangel zeigen. Shondykes Gen-Kammern und Operationstrakte standen nicht mehr zur Verfügung. Lab-21, die Konditionierungsdroge, mußte unter großem Aufwand an Geld und Material neu in Lunaport synthetisiert werden – von den fehlenden Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten ganz zu schweigen.
Dann Cosmoral Oolga, blaß und flachbrüstig und frigide, bis ins Zentrum des Hirns zerschnitten, konditioniert wie kein anderer Grauer konditioniert war – und die schärfste politische Beobachterin auf Luna. Mit Verbindungen, die bis weit hinein in die Gruppe um ASK, IWF, Export-Kartell, Grüne Hügel und Transport Stellar reichten, und die die Mentalität der Generalmanags besser kannte als jeder Soziopsychologe.
Als letzte Cosmoral Calinnen, die Führerin der Schatten, deren Gesicht von einer Multisensorischen Maske verborgen wurde und deren Identität allein Chan de Nouille bekannt war. Calinnen war für die Sicherheit Lunaports verantwortlich, für die Agenten und V-Männer auf der Erde und im Reich, für die Kolonnen, die im dunkeln arbeiteten und die schon manche planetare Befreiungsbewegung durch Agents provocateurs unterwandert hatten.
Allerdings, sagte sich die Große Graue bitter, als sich das Schott nach dem Computercheck ihres Gehirnwellenmusters öffnete, allerdings haben die Schatten auf der Erde versagt, gründlich versagt.
Die Zusammensetzung des Führungsgremiums der F.F.D.E. – der Rebellen, die sich zu der Bewegung Freiheit für die Erde zusammengeschlossen hatten – war den Garden größtenteils unbekannt. Und wen die Schatten als Kader enttarnt hatten – Manuel Lucci vom Kommando Brak Shakram oder Sarneyke Eloise von den gewerkschaftlichen Basisgruppen –, der blieb unauffindbar.
Im Konferenzraum herrschte Dämmerlicht.
Im Zentrum des kalt wirkenden Zimmers stand ein Rundtisch aus Echtholz – Eiche, wie Chan wußte. Eiche, das Klafter zu fünf Millionen VE.
Die Cosmoräle saßen schweigend am Tisch und betrachteten die Bildschirme ihrer Mikrofilmlesegeräte.
Eine dünne blaue Rauchfahne trieb auf das feine Gitter der Klimaanlage zu.
Chan sah Cosmoral Oolga an. Das alte, fast vergessene Laster des Tabakkonsums, dachte sie, macht diese kalte, schlaue Frau ein wenig menschlicher.
Rauchte nicht einer von den Terranauten ebenfalls diese … Zigarren? O’Hale vielleicht oder dieser Farrell?
Sie schüttelte den Kopf und vertrieb die fruchtlosen Überlegungen.
Das Thema Terranauten, wußte sie, würde noch früh genug zur Sprache kommen.
Die Cosmoräle erhoben sich bei ihrem Eintreten und neigten flüchtig die Köpfe.
Gambelher war rot im Gesicht, und noch immer wunderte sich Chan über das Temperament, das dieser Mann trotz der Gehirnoperation noch besaß.
Sie kannte seine ID-Akte und somit wahrscheinlich auch den Grund für seine Leidenschaftlichkeit.
Gambelher war als Humo auf irgendeiner mäßig entwickelten Welt des Innensektors geboren worden; ein lausiger Kolonist, auf den – wie auf
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