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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Edinburgh – Weihnachten 1644 – »Outbreak«
     
    Weihnachten 1644 war für John das traurigste Fest seines Lebens; was nicht etwa daran lag, dass die presbyterianische Kirche in Schottland die katholischen Feierlichkeiten zur Geburt Christi verboten hatte.
    John hätte gerne auf Haggis, Whisky, Tanz und bunte Girlanden verzichtet, wenn wenigstens die Kinder am Leben geblieben wären. Aber nun starrte er auf neun übelriechende Leichen, die er eigenhändig in weißes Leinen gehüllt und zu einem Berg aus leblosen Leibern aufgeschichtet hatte, damit der Bestatter sie abholen konnte – falls er sich überhaupt in nächster Zeit in die ausgestorbenen Straßenschluchten der Kings Close verirren würde.
    Doktor Jon Paulitius, der wohl bestbezahlte Arzt Schottlands, war der vorletzte Mensch, den John – außer Granny Beadle – lebend gesehen hatte. Erst vor wenigen Tagen hatte der einzige offiziell bestellte Pestarzt dem kläglichen Rest der Beadles einen Besuch abgestattet und den achtjährigen Matthew zur Ader gelassen.
    John hatte dem Jungen Vater und Mutter ersetzen müssen, die in den Tagen zuvor nacheinander gestorben waren, ebenso wie vier ältere Geschwister und der erst vor kurzem geborene Säugling. Großmutter Beadle war zu krank, um ihren letzten Enkel zu trösten.
    Der Doktor trug ein langes schwarzes Gewand, einen schwarzen breitkrempigen Hut und eine Schnabelmaske aus hellem Leder, die ihn vor krankmachenden Dämpfen schützen sollte und ihn wie einen übergroßen hässlichen Raben aussehen ließ. Die Augen waren von schützenden Kristallgläsern bedeckt und verwandelten die Pupillen dahinter in furchterregende schwarze Knöpfe.
    Matthew flößte das Aussehen des Arztes höllische Angst ein, und als der Doktor sich über ihn beugte, sammelte er seine letzten Lebenskräfte und schrie wie am Spieß. Erst recht, als Paulitius sich anschickte, ihm die Ader zu öffnen. John hatte es selbst mit der Angst zu tun bekommen, aber nicht weil er Paulitius als so furchterregend empfand (obwohl er das tatsächlich war), sondern weil er befürchtete, das Kind würde am Schock sterben.
    John hatte den fiebernden Jungen gehalten und immer wieder beruhigend auf ihn eingeredet, während der Doktor das geschärfte Lasseisen an der schlecht zu stauenden Armvene justierte.
    Nachdem Matthew eine gnädige Ohnmacht befallen hatte, öffnete Paulitius bei John eine Pestbeule und behandelte die Wunde mit dem Kautereisen, um die Wundränder auszubrennen. Es stank nach Eiter und verbranntem Fleisch, und John biss die Zähne zusammen, weil er sich den Schmerz nicht anmerken lassen wollte.
    »Habt Ihr noch etwas Laudanum?«, fragte er Paulitius hoffnungsvoll. »Ich kann Euch bezahlen.« John hatte seine gesamte Habe an einem sicheren Ort außerhalb der Stadt vergraben. Einem Pestkranken war es jedoch bei Todesstrafe verboten, das Haus zu verlassen, in dem er sich bei Ausbruch der Krankheit befunden hatte. Und so musste er sparsam sein und das Wenige, was er unter seiner Strohmatratze verborgen hielt, zur Linderung der größten Not mit der Familie teilen, die ihm den Schlafplatz in ihrer bescheidenen Behausung vermietet hatte.
    Wie die bereits verstorbenen Beadles zuvor litt John nicht nur an zwei dicken Geschwüren, am meisten litt er am Fieber und an den unerträglichen Kopfschmerzen. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Tod seine Hand auch nach ihm ausstrecken würde.
    Paulitius schüttelte den Kopf, was den Arzt noch grotesker erscheinen ließ. »Es tut mir leid«, antwortete er mit gedämpfter Stimme. »Das Laudanum ist mir ausgegangen. Obwohl die halbe Stadt dahingerafft wurde, gibt es immer noch zu viele Menschen, die vor allem an den Schmerzen leiden, und wenn ich ehrlich bin, bleibt mir kaum etwas anderes, womit ich ihnen helfen könnte.« Seine Stimme klang mutlos.
    John schluckte seine Enttäuschung hinunter und nickte nur, als der Doktor sich ohne Händedruck von ihm verabschiedete. Paulitius ging zur Tür und nahm seinen Stab, der ihn als Pestarzt zu erkennen gab, obwohl es eines solchen Zeichens gar nicht bedurft hätte. Er war der einzige Mensch in ganz Edinburgh, der eine solche Gewandung trug und sich in die Häuser der Kranken wagte.
    Zwei Tage später starb Matthew an Entkräftung, obwohl John ihm trotz der eigenen Beschwerden kühlende Umschläge bereitet und versucht hatte, ihn mit Milch und Brot zu füttern, das die Stadtväter neben Wein und Bier kostenlos bis an die Haustüren liefern ließen. Aber all das

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