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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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dem Einfluss ihres Vaters standen.
    Überhaupt, der Landgraf! Ich lernte ihn erst kennen, als ich fünf Jahre alt war. Wir Mädchen bekamen ihn ja nicht zu Gesicht, sahen ihn höchstens einmal von fern, vom Fenster aus oder auf dem Fürstenstuhl beim Gottesdienst. Er besuchte nie das Frauenzimmer, obwohl er Kinder eigentlich gern mochte – schließlich hatte er genug davon, insgesamt acht. Als ich ihm erstmals gegenüberstand, es muss an Ostern des Jahres 1210 gewesen sein, hatte ich ganz weiche Knie und brachte kaum einen Hofknicks zustande. Er war einfach in die Kinderstube eingetreten. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er in den Raum stapfte mit seinem Mantel aus rotem Fuchsfell und den Lederstiefeln. Noch nie war ein Mann in unserem Zimmer gewesen, und wir fürchteten uns. Der kleine Konrad begann sofort zu weinen, Agnes kaute eingeschüchtert an ihrem Zopf, und ich versteckte mich hinter dem Bettvorhang, von wo aus ich meinen Ziehvater neugierig beäugte. Neugier war schon immer eine meiner schlechtesten Eigenschaften, der Herr vergebe mir.
    Ludwig, der mit uns gespielt hatte, stellte sich sofort vor seinem Vater auf und versuchte eine seiner ungelenken Verbeugungen. Sein Leben lang blieb er in seinen Bewegungen tapsig wie ein junger Bär, ich erinnere mich, dass er als Kind ständig über die eigenen Füße stolperte. Wir zogen ihn oft damit auf, was er, wie es seine Art war, stets gutmütig ertrug.
    Auch Heinrich rannte herbei und machte einen Diener vor dem Landgrafen, und schließlich nahm die Kinderfrau Agnes und den greinenden Konrad bei der Hand und zog sie vor den hohen Besuch hin.
    »Brav, ihr habt euch schon aufgestellt, um Euren Vater zu begrüßen.« Das war die Landgräfin, die nun ebenfalls ins Zimmer getreten war. Von meinem Versteck hinter dem Vorhang aus sah ich zu, wie der hohe Herr mit seinen Kindern sprach. Was war er nur für ein vornehmer Mann! Das erkannte man allein schon an seinen edlen Kleidern und dem Schmuck, den er trug: An seinem Tasselband hing eine goldene Agraffe, der Gürtel war aus beschlagenen Silbermünzen, und seine Brust schmückte eine dicke Gliederkette. Am meisten fesselten mich die vielen Ringe, die er an der linken Hand trug, mit funkelnden Steinen in Rot und Grün. An jedem Finger einen! Ich wollte mehr sehen und machte einen vorwitzigen Schritt nach vorne. Zu meinem Unglück trat ich dabei auf das hölzerne Schweinchen, mit dem Konrad gespielt hatte, und weil es auch noch meine schlechte linke Seite war, knickte mein Fuß um. Verzweifelt ruderte ich mit den Armen, aber es half alles nichts, ich konnte das Gleichgewicht nicht halten und fiel hin.
    Alle Köpfe fuhren herum. So schnell ich konnte, rappelte ich mich auf und wünschte mir dabei nichts sehnlicher, als unsichtbar zu sein.
    »Wen haben wir denn da?«, fragte der Landgraf. Ich wagte nicht, meinen Blick vom Boden zu erheben, sonst hätte ich gesehen, dass er sich ein Lachen verbiss.
    »Das ist die Kleine vom Tenneberger Vogt, der damals mit der ganzen Burgbesatzung … Ihr erinnert Euch?«, erklärte die Landgräfin, während sie mich ein Stück weiter zu ihm hinschob. Zum ersten Mal stand ich ihm so gegenüber. Für mich war er damals schon ein alter Mann, mit schütterem Haar, dichten grauen Augenbrauen und fleckigen Händen. Er war viel älter als meine Ziehmutter, aber sie war ja auch seine zweite Frau. Unbeweglich wie ein Fels stand er mitten im Raum und musterte mich scharf. »Sie heißt Gislind«, sagte die Landgräfin knapp.
    »Guter alter hessischer Name«, brummte der Landgraf, und ich verstand überhaupt nicht, was er meinte. Erst viel später erfuhr ich von dem Grafengeschlecht in Hessen, das sich nach seinem Leitnamen Giso nannte. Diese Gisonen hatten ihren Stammsitz auf der Burg Hollende bei Wetter gehabt, waren aber damals längst ausgestorben. Meine Familie kam ursprünglich aus dem Oberlahngau, vielleicht war sie sogar entfernt mit den Grafen verwandt, und deshalb hatten sie wohl den altehrwürdigen Namen für mich ausgewählt.
    Ich trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, und außerdem war mir der Landgraf unheimlich. Wie ein Riese kam er mir damals vor, dabei stimmte das gar nicht, er war ein ganzes Stück kleiner als seine Frau. Aber er wirkte einfach groß durch seine beeindruckende Erscheinung, die Selbstverständlichkeit, mit der er befahl, das Selbstbewusstsein des Herrschenden, das er ausstrahlte. Schließlich war er nach dem König im

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