Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Thomas Reed seine Liebe zu Nora zum Anlass dazu nahm? Wahrscheinlich würde er Simon eher verdächtigen, seine Tochter als Sprungbrett für seine Karriere benutzen zu wollen.
Simon zweifelte jedenfalls daran, dass es richtig war, sich Thomas Reed so bald schon zu offenbaren. Es wäre auf jeden Fall besser zu warten, bis er sich selbst seine Achtung erworben und in eine höhere Position aufgestiegen war. Nora war erst siebzehn, und bisher machte ihr Vater keine Anstalten, sie zu vermählen. Simon hatte sicher noch ein paar Jahre Zeit, um sich so weit zu etablieren, dass er als Schwiegersohn des Kaufmanns in Frage kam.
Wenn er nur gewusst hätte, wie er das anstellen sollte!
KAPITEL 2
W as kann man denn sonst noch machen – also außer Zuckerrohr zu pflanzen oder Tabak?«, erkundigte sich Nora.
Sie saß auf der Chaiselongue der Lady Wentworth und balancierte geziert eine Teetasse zwischen Daumen und Zeigefinger. Seit Queen Anne das Heißgetränk einige Jahrzehnte zuvor bekannt gemacht hatte, wurde es in jedem besseren Salon in England serviert. Wie die meisten Damen hatte Nora reichlich Zucker hineingerührt – sehr zum Wohlgefallen ihrer Gastgeberin, die in jedem in England gesüßten Tee einen Beitrag zur Erhaltung ihres Wohlstandes sah.
»Also Tabak hat sich gar nicht besonders bewährt«, antwortete Lady Wentworth geduldig.
Die vielen Fragen der jungen Kaufmannstochter amüsierten sie. Nora Reed schien wild entschlossen, ihre Zukunft in den Kolonien zu sehen. Lady Wentworth bedauerte, dass ihre Söhne erst acht und zehn Jahre alt waren. Die kleine Reed wäre eine hervorragende Partie, und dass sie bürgerlich war, störte die Lady kaum. Schließlich hatte auch ihr eigener Mann den Titel käuflich erworben. Man musste längst nicht mehr heiraten oder sich aufwändig vom König zum Ritter schlagen lassen, um zu den Peers von England zu gehören. Wobei auch Letzteres für die Zuckerbarone machbar war. Gegen entsprechende Zuwendungen – Geschenke, Unterstützung der Flotte oder andere Wohltaten für die Krone – erkannte der König an, wiefleißig man dort am anderen Ende der Welt für das Gedeihen des Königreichs tätig war …
»In Sachen Tabak erzielen Virginia und andere Kolonien in der Neuen Welt bessere Qualitäten. Aber Zuckerrohr wächst nirgendwo so gut wie auf unseren Inseln. Wobei man natürlich auch Ausgaben hat …« Lady Wentworth erinnerte sich rechtzeitig, dass sie hier eine Kaufmannstochter vor sich hatte. Wenn sie zu sehr davon schwärmte, wie leicht sich der Zuckerrohranbau auf Jamaika, Barbados und den Jungferninseln gestaltete, mochte Noras Vater versuchen, die Preise zu drücken. »Allein die Sklaven!«
»Also, Sklaven halten wollten wir eigentlich nicht!«, bemerkte Nora leise, aber ehrlich. Auch darüber hatte sie sich mit Simon bereits ausgetauscht, und die beiden waren einer Meinung. »Das … das ist unchristlich.«
Lady Wentworth, eine resolute Frau in den Dreißigern, deren üppige Figur Korsett und Reifrock fast sprengte, lachte auf. »Ach, Kindchen«, wehrte sie ab, »Sie haben ja keine Ahnung. Aber die Kirche sieht das zum Glück ganz realistisch: Hätte Gott nicht gewollt, dass die Schwarzen für uns arbeiten, dann hätte er sie nicht geschaffen. Und wenn Sie erst mal in Übersee sind, Miss Reed, werden Sie das auch einsehen. Das Klima ist nichts für weiße Menschen. Zu heiß, zu feucht. Keiner kann lange da arbeiten. Die Neger dagegen, für die ist das ganz normal. Und wir behandeln sie ja gut – sie kriegen zu essen, wir stellen ihnen die Kleidung, sie …« Lady Wentworth brach ab. Viel mehr schien ihr zum Wohlbefinden ihrer Sklaven nicht einzufallen. »Der Reverend predigt ihnen sogar das Evangelium!«, erklärte sie schließlich triumphierend, als sei allein das schon die Arbeitskraft eines ganzen Lebens wert. »Wenngleich sie das nicht immer zu schätzen wissen. Da grassieren Rituale, Kindchen – furchtbar! Wenn die ihre alten Götzen beschwören … Es ist zweifellos gottgefällig, dass wir daseinschränken. Aber lassen Sie uns von angenehmeren Dingen sprechen, Miss Reed.« Die Lady griff nach einem Teekuchen. »Gibt es vielleicht schon konkrete Pläne, Sie auf eine unserer schönen Inseln zu verheiraten? Was sagt denn überhaupt Ihr Vater zu Ihren Auswanderungsplänen?«
Dieser Roman ist im Buchhandel erhältlich.
ISBN 978-3-7857-2430-9
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