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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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Striemen über seiner Wange.
    »Halt!«, schrie ich.
    Der Schreckensruf ließ sie stocken.
    Ich war die Triffid nun gewahr geworden. Sie lauerte im Gebüsch in der Nähe des Gestürzten.
    »Zurück! Schnell!«, sagte ich.
    Sie zögerte, noch immer auf den Hingestreckten blickend.
    »Aber ich muss …«, begann sie und wandte sich mir zu. Sie stockte mit schreckgeweiteten Augen. Dann schrie sie auf.
    Ich fuhr herum und sah eine Triffid knapp hinter mir aufragen.
    Mit einer automatischen Bewegung hielt ich die Hände vor meine Augen. Ich hörte den Stachel durch die Luft zischen – doch die lähmende Wirkung blieb aus, auch der brennende Schmerz. In solchen Augenblicken vermag der Geist blitzschnell zu reagieren, ich sprang auf die Pflanze los, ehe sie einen neuen Schlag tun konnte. Sie kippte um, und ich fiel mit ihr, suchte aber noch im Sturz, den Kelch mit dem Stachel vom Stängel zu reißen. Der Stängel einer Triffid lässt sich zwar nicht abknicken, wohl aber zerquetschen. Der, den ich diesmal in Händen hatte, war gründlich zerquetscht, als ich aufstand.
    Josella stand noch immer erstarrt auf demselben Fleck.
    »Kommen Sie hierher«, sagte ich. »Im Gebüsch hinter Ihnen ist noch eine.«
    Erschreckt blickte sie sich um und kam.
    »Sie sind doch getroffen worden!«, rief sie ungläubig. »Wieso sind Sie …«
    »Ich weiß nicht. Eigentlich sollte ich«, gab ich zur Antwort.
    Ich starrte auf die Triffid zu meinen Füßen. Da erinnerte ich mich an die Dolchmesser, die wir für ganz andere Gegner mitgenommen hatten, und schnitt ihr damit den Stachel aus dem Kelchboden. Ich untersuchte ihn genau.
    »Das ist die Erklärung.« Ich wies auf die Giftbeutel. »Sehen Sie? Sie sind schlaff und leer. Wären sie voll gewesen, auch nur zum Teil, dann …« Ich drehte den Daumen nach unten. Diesem Umstand und meiner Widerstandskraft gegen das Gift verdankte ich meine Rettung. Dennoch verlief über Handrücken und Hals eine blassrote, teuflisch juckende Strieme. Ich rieb sie, während ich den Stachel besah.
    »Sonderbar«, murmelte ich, mehr zu mir selbst als zu meiner Begleiterin, doch sie hörte mich.
    »Was ist sonderbar?«
    »So leere Giftbeutel sind mir bisher nicht untergekommen. Die muss ja höllisch viele Stiche ausgeteilt haben.«
    Es war zweifelhaft, ob sie mich hörte. Ihre Aufmerksamkeit galt wieder dem Mann auf dem Kiesweg und der neben ihm lauernden Triffid.
    »Wie können wir ihn von hier wegschaffen?«, fragte sie.
    »Überhaupt nicht, solange das Ding dort nicht unschädlich gemacht worden ist«, erklärte ich. »Und dann, fürchte ich, kommt jede Hilfe zu spät.«
    »Er ist tot?«
    Ich nickte. »Wer war es?«
    »Der alte Pearson. Er war unser Gärtner und Vaters Chauffeur. So ein lieber alter Mann – ich kenne ihn schon mein ganzes Leben.«
    »Es tut mir leid, dass …«, begann ich, da mir nichts Besseres einfiel, als sie mich unterbrach.
    »Dort! Dort! Sehen Sie nur!« Sie deutete auf einen um das Haus herumführenden Pfad. Ein schwarz bestrumpftes Damenbein war an der Ecke sichtbar.
    Halb auf dem Weg, halb in einem Blumenbeet lag ein Mädchen in einem schwarzen Kleid. Über ihr frisches, hübsches Gesicht zog sich ein blutroter Striemen. Josella stockte der Atem. Tränen traten in ihre Augen.
    »Oh, Annie! Arme kleine Annie!«, flüsterte sie.
    Ich versuchte, sie ein wenig zu trösten.
    »Sie haben kaum viel gelitten, die beiden«, sagte ich. »Ist der Stich tödlich, dann geht es schnell.«
    Keine andere Triffid lauerte hier. Vermutlich waren die beiden von einer einzigen niedergestreckt worden. Wir überquerten gemeinsam den Pfad und traten durch eine Seitentür ins Haus. Josella rief. Keine Antwort. Sie rief noch einmal. Nichts regte sich. Still schritt sie mir voran durch einen Flur, der vor einer tuchbespannten Tür endete. Als sie öffnete, peitschte etwas knapp über ihren Kopf hinweg und traf klatschend den Türrahmen. Sie schlug hastig die Tür zu und sah mich entsetzt an.
    »Im Vorderzimmer ist auch eine.«
    Sie sagte es im Flüsterton, als fürchtete sie, belauscht zu werden. Wir gingen durch den Flur zurück und umschritten das Haus, auf dem Rasen, um kein Geräusch zu machen, bis wir zu einer Stelle kamen, wo man in das Vorderzimmer blicken konnte. Die Glastür, die in den Garten führte, war offen, eine ihrer Scheiben eingeschlagen. Eine Fährte von Schlammspritzern lief über die Stufe und den Teppich. An ihrem Ende stand mitten im Zimmer eine Triffid, deren leise schwankende Stängelspitze

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