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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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der Wurzelstockmatte bremste er so weit ab, dass er kaum noch Fahrt machte, und ergriff die Vorsichtsmaßnahme, Chamäleonware einzuschalten, ehe er auftauchte. Dann lenkte er das Fahrzeug sachte nach oben.
    Sobald es eine stabile Lage einnahm, fuhr er zunächst eine Kamera durch die Matte aus, um einen Rundblick zu erhalten. Weder Menschen noch Technik waren in der Nähe zu sehen, und er war ein ordentliches Stück weit von jeglicher Arachnikultur der Theokratie entfernt. Allerdings wehte da draußen ein gar nicht der Jahreszeit gemäßer Sturm, in dem sich das Gras heftig wiegte und die Luft von gebrochenen Halmen erfüllt war – die Nachwirkungen derselben Druckwelle, die er unter der Erde gespürt hatte. Auch das Licht wirkte seltsam. Da draußen war es Nacht, und obwohl die Nächte hier niemals sonderlich dunkel wurden, wirkte sie merkwürdig hell. Vielleicht ein fernes Feuer, das sich aus einem Sauerstoffvorrat speiste? Vielleicht war ein Raumschiff heruntergekommen – das hätte sicherlich zum seismischen Profil gepasst, aber als er die Kamera in Richtung des Einschlags wendete, entdeckte er keinerlei Feuer. Schließlich richtete er die Kamera nach oben und schnappte erstaunt nach Luft.
    Meteorschauer und riesige mattorangene Blumen bedeckten den Himmel, die Nachwirkungen gewaltiger Orbitalexplosionen. Offensichtlich waren dort oben bedeutsame Ereignisse eingetreten, und was immer hier niedergegangen war, resultierte vermutlich aus ihnen. Hatte die Polis endlich eingegriffen? In den zurückliegenden Jahren hatten die KIs keine sonderlichen Hinweise gegeben, dass sie dergleichen planten. Soweit es Chanter verstand, war eine Intervention so etwas wie eine heiße politische Kartoffel, die womöglich Schwierigkeiten auf Grenzplaneten nach sich zog, wo die Zugehörigkeit zur Polis … ein heikles Thema war. Chanter entschied, dass die Kamera nicht leistungsfähig genug war, zog sie ein und fuhr als Nächstes seine Hauptsensorenphalanx aus.
    Weitere Überraschungen. Chanter fluchte leise. Die Satellitenphalanx der Theokratie war verschwunden oder bildete, genauer gesagt, inzwischen eine Trümmerwolke, die den Meteorsturm fütterte. Das leistungsfähige Radioteleskop seiner Sensorenphalanx zeigte ihm viele Einzelheiten und offenbarte sogar, dass dieWerft auf dem Minimond Flint, der Kalypse umkreiste, ebenfalls zerstört worden war. Aber was den Schaden angerichtet hatte, das war nicht zu erkennen. Chanter machte sich daran, die Funkfrequenzen der Theokratie abzuhören, gewann allmählich Fakten aus den Gerüchten und dem ganzen religiösen Geschwafel und konnte endlich die zeitliche Abfolge der Ereignisse rekonstruieren.
    Das Ding, das die Theokraten Behemoth nannten und von dem Chanter wusste, dass es sich dabei um eine der verbliebenen drei von vier riesigen außerirdischen Organismen handelte, die ursprünglich das Wesen namens Drache gebildet hatten, war in recht übler Stimmung eingetroffen. Es zerstörte erst den Stützpunkt auf Flint, tat dann so, als nähme es direkten Kurs auf das Schiff des Hierarchen Loman und zwang ihn, die Flotte von Masada abzurufen und lieber ihn zu beschützen. Drache führte daraufhin einen Subraumsprung nach Masada aus, und die Flotte hatte ihm nicht folgen können, waren ihre Schiffe doch nicht in der Lage, ihre Subraummaschinen anzuwerfen, solange sie nicht schon Fahrt aufgenommen hatten. Über Masada zerstörte Drache die Lasersatelliten, ehe er sich nach unten warf und eine Bruchlandung auf dem Planeten hinlegte. Chanter überlegte, was das vielleicht zu bedeuten hatte.
    Sicher war, dass Lellan Stanton und ihre Rebellen die Lage auszunutzen gedachten. Bestimmt nahmen sie Kurs auf die Oberfläche, und er wusste, dass sie genug Mannschaftsstärke und Waffen besaßen, um diese einzunehmen. Loman würde reagieren und Truppen aus dem Weltraum herabschicken, um die Oberfläche zurückzuerobern – Truppen, die in der Zylinderwelt Hoffnung ausgebildet wurden. Die derzeit schon geheim durchgeführte Abstimmung über eine Polis-Intervention konnte sehr gut mehr als die erforderlichen achtzig Prozent ergeben, aber selbst wenn nicht, würde die Lage hier so schlimm werden, dass eine Polis-Intervention unausweichlich schien. Chanter hattezwiespältige Gefühle, was das anging. Ihm gefiel seine heimliche Maulwurfexistenz hier, und er genoss seine einzigartige Forschung und den Mangel an Einmischung.
    Er fuhr die Sensorenphalanx ein und aktivierte erneut das Triebwerk seines Erd-Uboots.

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