Die vier Ziele des Lebens
Absicht. Bitte sehr, fassen Sie Vorsätze, wenn Sie möchten. Aber dann steht der nächste Augenblick an, die nächste Welle. Was tun Sie jetzt?
Entscheiden Sie nur das, was tatsächlich ansteht. Auf welche Hochschule Sie gehen wollen, welche Arbeit Sie annehmen werden, welchen Mann oder welche Frau Sie
heiraten werden – all das brauchen Sie erst zu entscheiden, wenn es tatsächlich entweder oder heißt. Quälen Sie sich bis dahin nicht damit ab. Tun Sie einfach das, was Sie im Augenblick tun.
Unser Leben braucht kein durchgängiges Management, wir müssen nur im richtigen Augenblick eingreifen. Bei den Anonymen Alkoholikern heißt es: »Nimm nie mehr als einen Tag auf einmal.« Tatsächlich nehmen wir immer nur einen Augenblick auf einmal. Selbst wer einen starken Drang zum Alkoholkonsum hat, verspürt diesen Drang nicht ununterbrochen. Solange der Impuls zu trinken nicht da ist, braucht man sich auch nicht gegen ihn zu entscheiden. Wenn er dann kommt, kann man sich entschließen, irgendetwas anderes zu tun – telefonieren, Leute treffen.
Entscheidungen fallen umso klarer aus, je näher Sie dem Punkt sind, an dem sie tatsächlich fällig werden. Beschlüsse zu dem, was Sie nächstes Jahr oder beim Eintritt in das Rentenalter tun werden, sind zwangsläufig unsicher und meistens falsch, reine Mutmaßungen. Da handelt es sich wieder lediglich um Wünsche oder Vorhaben. Entscheidungen über das, was jetzt zu tun ist, erfolgen ganz natürlich aus den gerade gegebenen Umständen.
Sie müssen immer nur diesen Augenblick bewältigen. Dies ist Ihr Augenblick der Kraft.
Das Jetzt ist nicht zu fassen
Ein Physiker würde Ihnen wohl sagen, dass man von einem »gegenwärtigen Augenblick« eigentlich nicht sprechen kann, es gibt ihn streng genommen nicht. Wenn man nämlich »Jetzt« sagt, vergehen zwischen dem J und dem T ein paar Hundertmillionen Nanosekunden. Der amerikanische Philosoph und Psychologe William James fragte: »Wo ist er, dieser gegenwärtige Augenblick? Er entgleitet uns, er flieht, bevor wir ihn berühren, im Augenblick seines Werdens ist er bereits nicht mehr.« Sehen wir also die Flüchtigkeit des Gegenwärtigen ganz klar.
Und doch haben wir nie etwas anderes als die ewige Gegenwart, wir treiben mit dem Strom der Zeit und bleiben darin eigentlich vollkommen bewegungslos. Wir bewegen uns mit der Zeit und sind dabei in der Regungslosigkeit dieses Augenblicks. Vergangenheit und Zukunft ereignen sich jetzt. Es gibt nur jetzt. Wohin wir auch gehen, ist jetzt.
Bei Vergangenheit und Zukunft, das heißt bei Erinnerung und Vorstellung, schaut man vielleicht mal vorbei,
aber leben kann man da nicht. Frühere und künftige Zielsetzungen sind ohne Bedeutung, ohne Realität, sie sind reine Vorstellungen, die der Denkapparat heraufbeschwört. Gehen Sie also einfach mit dem um, was Sie gerade vor sich haben. Bleiben Sie bei der vierten Zielsetzung, nämlich bei diesem gerade eintretenden Augenblick, und Sie finden das einfache Leben. Wirklichkeit ist da, wo Sie sind, wo Sie still im Strom der Zeit treiben und in der ewigen Gegenwart ruhen.
Vergleichen Sie diesen Augenblick nicht mit Erinnerungen und Zukunftsvorstellungen, und Sie werden hier und jetzt Frieden und Genügen finden. Wie der Zen-Weise sagt: »Wenn ich Hunger habe, esse ich. Wenn ich Durst habe, trinke ich. Wenn ich müde bin, ruhe ich mich aus.«
Nicht immer einfach: präsent bleiben
Wie schwierig es ist, ganz bei dem zu bleiben, was wir in diesem gerade eintretenden Augenblick eigentlich wollen, lässt sich an dieser Frage ermessen: Wie oft essen Sie ganz bewusst? Wann haben Sie das letzte Mal nur gegessen, ohne dabei etwas zu lesen oder fernzusehen oder Radio zu hören oder sich zu unterhalten oder zwischendurch einen Blick aufs Handy oder auf den Computerbildschirm zu werfen? Wann also haben Sie wirklich nur gegessen, Ihre Mahlzeit gesehen, gerochen, gekostet, bewusst gekaut und geschluckt? Erinnern Sie sich: Wann war das bloße Essen einmal in sich selbst genug und hatte Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit? Es ist eigentlich keine schwierige Aufgabe, aber glauben Sie mir, sie fällt mir so schwer wie Ihnen.
Die meiste Zeit ist es ja eher so, dass uns das, was gerade ist, nicht genügt. Damit ist auch schon benannt, was uns vor allem daran hindert, präsent zu sein: Wir wollen es nicht ernsthaft. Das gegenwärtig Gegebene genügt uns
nicht, weil wir nicht wirklich darauf achten. Ist es nicht allerhand, dass wir mit ungeteilter Aufmerksamkeit bei
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