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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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natürliche Ursache ist nur Gelegenheitsursache, giebt nur Gelegenheit, Anlaß zur Erscheinung jenes einen und untheilbaren Willens, der das Ansich aller Dinge ist und dessen stufenweise Objektivirung diese ganze sichtbare Welt. Nur das Hervortreten, das Sichtbarwerden an diesem Ort, zu dieser Zeit, wird durch die Ursache herbeigeführt und ist insofern von ihr abhängig, nicht aber das Ganze der Erscheinung, nicht ihr inneres Wesen: dieses ist der Wille selbst, auf den der Satz vom Grunde keine Anwendung findet, der mithin grundlos ist. Kein Ding in der Welt hat eine Ursache seiner Existenz schlechthin und überhaupt; sondern nur eine Ursache, aus der es gerade hier und gerade jetzt da ist. Warum ein Stein jetzt Schwere, jetzt Starrheit, jetzt Elektricität, jetzt chemische Eigenschaften zeigt, das hängt von Ursachen, von äußern Einwirkungen ab und ist aus diesen zu erklären: jene Eigenschaften selbst aber, also sein ganzes Wesen, welches aus ihnen besteht, und folglich sich auf alle jene angegebenen Weisen äußert, daß er also überhaupt ein solcher ist, wie er ist, daß er überhaupt existirt, das hat keinen Grund, sondern ist die Sichtbarwerdung des grundlosen Willens. Also alle Ursache ist Gelegenheitsursache. So haben wir es gefunden in der erkenntnißlosen Natur: gerade so aber ist es auch da, wo nicht mehr Ursachen und Reize, sondern Motive es sind, die den Eintrittspunkt der Erscheinungen bestimmen, also im Handeln der Thiere und Menschen. Denn hier wie dort ist es ein und der selbe Wille, welcher erscheint, in den Graden seiner Manifestation höchst verschieden, in den Erscheinungen dieser vervielfacht und in Hinsicht auf diese dem Satz vom Grunde unterworfen, an sich frei von dem allen. Die Motive bestimmen nicht den Charakter des Menschen, sondern nur die Erscheinung dieses Charakters, also die Thaten; die äußere Gestalt seines Lebenslaufs, nicht dessen innere Bedeutung und Gehalt: diese gehn hervor aus dem Charakter, der die unmittelbare Erscheinung des Willens, also grundlos ist. Warum der Eine boshaft, der Andere gut ist, hängt nicht von Motiven und äußerer Einwirkung, etwan von Lehren und Predigten ab, und ist schlechthin in diesem Sinne unerklärlich. Aber ob ein Böser seine Bosheit zeigt in kleinlichen Ungerechtigkeiten, feigen Ränken, niedrigen Schurkereien, die er im engen Kreise seiner Umgebungen ausübt, oder ob er als ein Eroberer Völker unterdrückt, eine Welt in Jammer stürzt, das Blut von Millionen vergießt: dies ist die äußere Form seiner Erscheinung, das Unwesentliche derselben, und hängt ab von den Umständen, in die ihn das Schicksal setzte, von den Umgebungen, von den äußern Einflüssen, von den Motiven; aber nie ist seine Entscheidung auf diese Motive aus ihnen erklärlich: sie geht hervor aus dem Willen, dessen Erscheinung dieser Mensch ist. Davon im vierten Buch. Die Art und Weise, wie der Charakter seine Eigenschaften entfaltet, ist ganz der zu vergleichen, wie jeder Körper der erkenntnißlosen Natur die seinigen zeigt. Das Wasser bleibt Wasser, mit seinen ihm inwohnenden Eigenschaften; ob es aber als stiller See seine Ufer spiegelt, oder ob es schäumend über Felsen stürzt, oder, künstlich veranlaßt, als langer Strahl in die Höhe spritzt: das hängt von den äußern Ursachen ab: Eines ist ihm so natürlich wie das Andere; aber je nachdem die Umstände sind, wird es das Eine oder Andere zeigen, zu Allem gleich sehr bereit, in jedem Fall jedoch seinem Charakter getreu und immer nur diesen offenbarend. So wird sich auch jeder menschliche Charakter unter allen Umständen offenbaren; aber die Erscheinungen, die daraus hervorgehn, werden seyn, je nachdem die Umstände waren.

    § 27
    Wenn es nun aus allen vorhergehenden Betrachtungen über die Kräfte der Natur und die Erscheinungen derselben uns deutlich geworden ist, wie weit die Erklärung aus Ursachen gehn kann und wo sie aufhören muß, wenn sie nicht in das thörichte Bestreben verfallen will, den Inhalt aller Erscheinungen auf ihre bloße Form zurückzuführen, wo denn am Ende nichts als Form übrig bliebe; so werden wir nunmehr auch im Allgemeinen bestimmen können, was von aller Aetiologie zu fordern ist. Sie hat zu allen Erscheinungen in der Natur die Ursachen aufzusuchen, d.h. die Umstände, unter denen sie allezeit eintreten: dann aber hat sie die unter mannigfaltigen Umständen vielgestalteten Erscheinungen zurückzuführen auf Das, was in aller Erscheinung wirkt und bei der Ursache vorausgesetzt

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