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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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‚und der zweite Teil ist nicht minder gut. Zu diesem hab ich alles getan, was ich an ebenem Land und freiem Feld besitze. Da liegt nun ein Acker neben dem andern, vom Mälar bis hinauf nach Dalarna. Wer diesen Teil wählt, wird es sicher nicht bereuen. Er kann so viel Getreide bauen, als er will, und große Güter anlegen, und weder er noch seine Nachkommen brauchen sich wegen ihres Unterhalts graue Haare wachsen zu lassen. Damit die Ebene nicht sumpfig wird, habe ich große Wasserläufe durchgezogen, die bilden öfters Wasserfälle, wo Mühlen und Schmieden errichtet werden können. Den Gräben entlang habe ich den Schutt hoch aufgehäuft, da können leicht Wälder angepflanzt werden, aus denen Brennholz gewonnen wird. Dies ist nun also der zweite Teil, und ich meine, wer den bekommt, hätte alle Ursache, zufrieden zu sein.‘
    Auch darin stimmten alle drei Söhne überein, und sie dankten der Mutter sehr, weil sie alles so gut für sie eingerichtet habe.
    ‚Ja, ich habe mir alle Mühe gegeben, es so gut wie möglich zu machen,‘ fuhr diese fort. ‚Aber jetzt komme ich zu dem Teil, der mir am meisten Kopfzerbrechen gemacht hat. Denn seht, nachdem ich alle meine Haine und meine Weiden und Waldhügel zu dem einen Teil, meine Äcker und fruchtbaren Landstrecken aber zu dem andern getan hatte, merkte ich, daß mir von meinem Besitztum nichts andres mehr übrig blieb, als die bergigen Fichten- und Tannenwälder, die Berggipfel, die Gebirgsschluchten, die kahlen Felswände und mageren Wacholdergebüsche, die ärmlichen Birkengruppen und kleinen Seen. Dies alles zusammen wird nun natürlich keiner von euch haben wollen. Trotzdem habe ich all dies kleine Zeug gesammelt und es im Norden und Westen von dem ebenen Land aufgestellt; aber ich fürchte, wer diesen Teil wählt, hat nichts als Armut in Aussicht. Er wird nichts als Schafe und Geißen halten können, und um sich seinen Unterhalt zu verschaffen, wird er auf den Seen dem Fischfang, im Wald der Jagd obliegen müssen. Wasserfälle und Stromschnellen sind freilich in Menge vorhanden, so daß er so viele Mühlen bauen könnte, als er nur Lust hat; aber leider wird er nichts andres zu mahlen haben, als die Rinde von seinen Bäumen. Und mit Bären und Wölfen wird er wohl auch seine liebe Not haben, denn in dieser Wildnis werden sie sich sicherlich heimisch fühlen.
    Ja, dies ist nun der dritte Teil. Ich weiß ja wohl, er läßt sich mit den beiden andern nicht vergleichen, und wenn ich nicht schon so alt wäre, hätte ich die Teilung noch einmal gemacht, aber das ist mir nicht möglich. Und jetzt hab ich in meinem letzten Stündlein keine Ruhe, weil ich nicht weiß, welchem von euch ich diesen schlechtesten Teil geben soll. Ihr seid mir alle drei gute Söhne gewesen, und es bedrückt mich, daß ich gegen einen von euch ungerecht sein soll.‘
    Nachdem die alte Frau aus dem Riesengeschlecht ihren Söhnen die Sachealso dargelegt hatte, sah sie alle drei bekümmert an. Jetzt sagten sie nicht mehr, wie bei den beiden ersten Malen, sie habe richtig geteilt und gut für sie gesorgt. Schweigend standen sie da, und man konnte wohl merken, daß der, so den letzten Teil erhielt, sehr unzufrieden sein würde.
    Ja, da lag nun die alte Mutter mit bangem Herzen, und die Söhne sahen, daß sie schon im voraus Todesqualen erlitt, weil sie die Teile bestimmen mußte und doch nicht wußte, welchen von den Söhnen sie unglücklich machen sollte, indem sie ihm den schlechtesten Teil gab.
    Doch der jüngste von den dreien, der liebte seine Mutter am meisten, und er konnte es nicht mit ansehen, wie sie sich abquälte. Deshalb sagte er: ‚Du brauchst dir keinen Kummer über diese Sache zu machen, Mutter, leg dich beruhigt nieder und scheide in Ruhe und Frieden aus diesem Leben. Gib den schlechten Teil mir; ich werde mich schon durchschlagen, und wie es auch gehen mag, ich werde mich nicht darüber grämen, wenn die andern es besser haben als ich.‘
    Sobald der jüngste Sohn dies gesagt hatte, beruhigte sich die Mutter; sie dankte ihm innig und lobte ihn. Das Bestimmen der beiden andern Teile machte ihr keinen Kummer, denn diese waren fast ganz gleich gut.
    Als nun alles geordnet war, dankte die Mutter dem Sohne noch einmal und sagte, sie habe erwartet gehabt, daß gerade er ihr aus der Not helfen werde. Zugleich sagte sie noch, wenn er nun in seine Einöde hinaufkomme, solle er sich an die große Liebe erinnern, die sie immer für ihn gehabt habe.
    Damit schloß sie die Augen und starb;

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