Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
Buchenblätter nur so umherstoben! Smirre drehte sich rund, rund herum, aber der Schwanz schwang sich auch rund, rund herum, der Junge hielt sich daran fest, und der Fuchs konnte ihn nicht fassen.
Der Junge war so vergnügt über seinen Erfolg, daß er im Anfang nur lachte und den Fuchs verspottete; aber Meister Reineke war beharrlich, wie alte Jäger zu sein pflegen, und allmählich wurde es dem Jungen doch angst, er könnte schließlich noch gefaßt werden.
Da erblickte er eine kleine junge Buche, die schlank wie ein Pfahl aufgewachsen war, nur um recht bald ins Freie zu gelangen, hoch da droben über dem grünen Laubdach, das die alten Buchen über dem jungen Bäumchen ausbreiteten. In aller Eile ließ der Junge den Fuchsschwanz los und kletterte auf die Buche hinauf. Smirre aber war so im Eifer, daß er sich noch eine ganze Weile nach seinem Schwanze im Kreise drehte. „Du brauchst nicht weiter zu tanzen,“ sagte der Junge plötzlich.
Der Fuchs war wütend; diese Schmach, einen so kleinen Knirps nicht in seine Macht zu bekommen, war ihm unerträglich, er legte sich deshalb unter der Buche nieder, um den Jungen zu bewachen.
Der Junge hatte es nicht übermäßig gut da oben; er saß rittlings auf einem schwachen Zweige, und die junge Buche reichte nicht hinauf bis zu dem Blätterdache, so daß er auf keinen andern Baum hinübergelangen konnte; aber er mochte sich auch nicht wieder hinunter auf den Boden wagen. Er fror gewaltig und war nahe daran, ganz steif zu werden und seinen Zweig loszulassen; auch war er entsetzlich schläfrig, hütete sich aber wohl, sich vom Schlaf übermannen zu lassen, aus Angst, dann auf den Boden hinunterzufallen.
O, es war fürchterlich, mitten in der Nacht so im Walde draußen zu sitzen!Er hatte bis jetzt keine Ahnung gehabt, was das bedeutete, wenn es Nacht ist. Es war, als sei alles versteinert und könne nie wieder zum Leben erwachen.
Dann begann der Tag zu grauen, und der Junge war froh, als alles sein altes Aussehen wieder annahm, obgleich die Kälte jetzt gegen Morgen noch durchdringender wurde als in der Nacht.
Als endlich die Sonne aufging, war sie nicht gelb, sondern rot. Dem Jungen kam es vor, als sehe sie böse aus, und er fragte sich, warum sie wohl böse sei. Vielleicht weil die Nacht, während die Sonne weggewesen war, eine solche Kälte auf der Erde verbreitet hatte.
Die Sonnenstrahlen sprühten in großen Feuergarben am Himmel auf, um zu sehen, was die Nacht auf der Erde getan hatte, und es sah aus, als ob alles ringsum errötete, wie wenn es ein schlechtes Gewissen hätte. Die Wolken am Himmel, die seidenglatten Buchenstämme, die kleinen, ineinander verflochtenen Zweige des Laubdaches, der Rauhreif, der die Buchenblätter auf dem Boden bedeckte, alles glühte und wurde rot.
Aber immer mehr Sonnenstrahlen schossen am Himmel auf, und bald war alles Grauen der Nacht verschwunden. Die Lähmung war wie weggeblasen, und gar vieles Lebendige trat zutage. Der Schwarzspecht mit dem roten Hals begann mit dem Schnabel an einem Baumstamme zu hämmern. Das Eichhörnchen huschte mit einer Nuß aus seinem Bau heraus, setzte sich auf einen Zweig und begann sie aufzuknabbern. Der Star kam mit einer Wurzelfaser dahergeflogen, und der Buchfink sang in dem Baumwipfel.
Da verstand der Junge, daß die Sonne zu allen diesen kleinen Wesen gesagt hatte: „Erwacht und kommt heraus aus eurer Behausung, jetzt bin ich hier! Jetzt braucht ihr euch vor nichts mehr zu fürchten.“
Vom See her drang der Ruf der Wildgänse, die sich zur Weiterreise rüsteten, zu dem Jungen herüber; und bald darauf flogen alle vierzehn Gänse über den Wald hin. Der Junge versuchte ihnen zuzurufen; aber sie flogen so hoch droben, daß seine Stimme sie nicht erreichen konnte. Sie glaubten wohl, der Fuchs habe ihn schon lange aufgefressen. Ach, sie gaben sich auch nicht einmal die Mühe, sich nach ihm umzusehen!
Der Junge war vor lauter Angst dem Weinen nahe; aber die Sonne stand jetzt goldgelb und vergnügt am Himmel und flößte der ganzen Welt Mut ein. „Du brauchst dich nicht zu fürchten oder vor etwas Angst zu haben, Nils Holgersson, solange ich da bin,“ sagte sie.
Das Spiel der Gänse
Montag, 21. März
Alles im Walde blieb so lange unverändert, als eine Gans ungefähr braucht, um ihr Frühstück zu genießen; aber gerade um die Zeit, wo der Morgen in den Vormittag übergehen wollte, flog eine einzelne Wildgans unter das dichte Laubdach herein. Zögernd suchte sie ihren Weg zwischen Stämmen
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