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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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einer unbebauten Gegend und weit draußen auf dem Lande wohnen, fühlen sich immer ängstlich, wenn sie in eine Stadt kommen, wo die Häuser steif und aufrecht dastehen und die Straßen und Plätze offen daliegen, so daß sie jeder, der vorübergeht, betrachten kann. Und wenn große Leute so denken, kann man sich leicht vorstellen, wieviel mehr es dem Däumling so gehen mußte. Als er auf dem Markt von Karlskrona stand und die Deutsche Kirche und das Rathaus und den Dom, von dem er gerade heruntergekommen war, sah, wünschte er sich unwillkürlich zu den Gänsen droben auf dem Kirchturm zurück. Zum Glück war der Marktplatz ganz leer. Kein Mensch war zu sehen, wenn man nicht etwa ein Standbild, das auf einem hohen Sockel stand, für einen solchen rechnen wollte. Der Junge betrachtete das Standbild lange und hätte gerne gewußt, wer dieser große Mann in Dreispitz, langem Rock, Kniehosen und groben Schuhen sei. Er hielt einen langen Stock in der Hand und sah aus, als mache er auch Gebrauch davon, denn er hatte ein furchtbar strenges Gesicht mit einer großen Habichtsnase und einem häßlichen Mund.
    „Was hat denn dieser Lippenfritze hier zu tun?“ sagte der Junge schließlich.
    Noch nie hatte er sich so klein und ärmlich gefühlt wie an diesem Abend. Er versuchte sich aufzuraffen, indem er etwas Keckes sagte. Dann dachte er nicht mehr an das Standbild, sondern bog in eine breite Straße ein, die zum Meer hinunterführte. Aber er war noch nicht lange gegangen, als er hörte, daß jemand hinter ihm herkam. Vom Markt her kam jemand, der mit schweren Füßen auf das Pflaster stampfte und seinen Stock auf den Boden aufstieß. Es klang fast, als hätte der große Mann aus Bronze, der drüben auf dem Markte stand, sich auf den Weg gemacht.
    Der Junge horchte auf die Schritte, während er die Straße hinunterlief, und immer deutlicher erkannte er, daß es der Mann aus Bronze sein mußte. Die Erde bebte und die Häuser zitterten, sicherlich konnte niemand anders so gehen; und der Junge erschrak, als ihm einfiel, was er vorhin über ihn gesagthatte. Er wagte nicht einmal den Kopf zu drehen, um nachzusehen, ob er es wirklich sei.
    „Er geht vielleicht nur zu seinem eignen Vergnügen spazieren,“ dachte der Junge weiter. „Wegen der paar Worte, die ich über ihn gesagt habe, kann er doch unmöglich böse auf mich sein. Es war ja gar nicht schlimm gemeint.“
    Anstatt nun geradeaus zu gehen, um womöglich an die Werft zu gelangen, bog der Junge in eine nach Osten führende Straße ein. Er wollte dem, der hinter ihm herkam, um jeden Preis ausweichen.
    Aber gleich darauf hörte er den Bronzenen auch in diese Straße einbiegen. Da erschrak der Junge so sehr, daß er einfach nicht wußte, was er tun sollte. Und wie schwer ist es, einen Schlupfwinkel zu finden in einer Stadt, wo alle Türen fest verschlossen sind! Da sah er zu seiner Rechten eine alte aus Holz gebaute Kirche, die etwas abseits von der Straße in einer großen Anlage stand. Er bedachte sich nicht einen Augenblick, sondern stürzte auf die Kirche zu. „Wenn ich nur hineinkomme, werde ich wohl vor allem Übel beschützt sein!“ meinte er.
    Während er dahinstürmte, sah er plötzlich einen Mann auf einem Sandweg stehen, der ihm winkte. „Das ist gewiß jemand, der mir helfen will,“ dachte der Junge; es wurde ihm ganz leicht ums Herz, und er eilte auf den Mann zu. Er hatte wirklich Herzklopfen vor lauter Angst.
    Aber als er bei dem Mann angekommen war, der am Rande des Weges auf einem kleinen Schemel stand, stutzte er sehr. „Der kann mir doch nicht gewinkt haben,“ dachte er; denn jetzt sah er, daß der ganze Mann aus Holz war.
    Er blieb vor dem Mann stehen und betrachtete ihn. Es war ein grobgeschnittener Kerl mit kurzen Beinen, breitem rotem Gesicht, glänzendem schwarzem Haar und einem schwarzen Vollbart. Er hatte einen schwarzen hölzernen Hut auf dem Kopf, auf dem Leib einen braunen hölzernen Rock, um die Mitte eine schwarze hölzerne Schärpe, an den Beinen weite, graue hölzerne Hosen und Strümpfe und an den Füßen schwarze Holzschuhe. Er war überdies frisch gestrichen und gefirnist, so daß er im Mondschein glänzte und gleiste; und der Frühling tat auch noch das Seinige dazu und gab ihm ein so gutmütiges Aussehen, daß der Junge sogleich Vertrauen zu ihm faßte.
    Neben dem Mann auf dem Wege stand eine Holztafel, und auf dieser las der Junge:

„Ich bitt euch ganz demütiglich, Kann sprechen zwar nicht gut, Kommt, gebt ein Scherflein her

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