Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht
Prolog
Der Westen ist tot. Reglos die Berge, in alle Weite leere Erde ohne Licht. Nur die glimmende Spur des Mannes, der das Totenlicht trägt.
R osig fiel der Abend über das Zedernwäldchen. Ging wie ein Atemstoß durch Gräser, Holz und Wildblumen und schwemmte ihren schläfrigen Duft auf. Noch flackerte die Wärme des Tages im Dickicht und die Luft schmeckte nach Sommer, roh und jung. Hauchdünn hing dazwischen eine Ahnung von Vergangenem: Es war der süße Geruch von Blut.
Der Druide hielt im Unterholz inne, als ein Dornenzweig unter seinen Schnürschuhen brach. Echos ebbten durch die Baumwipfel und ließen die Stille danach noch tiefer um ihn sinken. Er schob sich die Kapuze von seinem zusammengebundenen hellbraunen Haar. Sommersprossen bedeckten das Gesicht. Auch im Grün seiner Augen tanzten Punkte, verliehen ihm eine stille Heiterkeit. Er war jung, kaum zwanzig Jahre. Sein Blick schien hell, doch ohne Neugier, als er den sterbenden Mann sah.
Der Mann ächzte. Ringsum im Farn lagen die Überreste seiner toten Gefährten. Fahrig streckte er seinen zerschnittenen Arm nach dem Druiden aus. »Hil… fe …«
Der Druide blieb reglos. Wenn er sich nicht bewegte, vergaß der Mann vielleicht, dass er da war. Lange konnte es sowieso nicht mehr dauern, bis ihn der Tod holte. Doch als merkte der Alte nicht, dass er in seinem eigenen Blut lag, versuchte er sich aufzustützen.
»Überfall … helft … mir«, hauchte er.
Der Druide schloss die Augen. Lästerliche Menschen! Den letzten Atemzug sparten sie sich für sinnlose Worte. Das Land gab, das Land nahm. Menschenblut auf der von Menschen ausgebeuteten Erde – es war ein Tropfen Gerechtigkeit.
Als der Druide die Augen wieder aufschlug, nahm er eine Bewegung hinter sich wahr und fuhr herum. Eine zweite Gestalt stand unter den Bäumen. Rötliches Haar fiel ihr fast bis zur Hüfte und ringelte sich leicht in der feuchten Luft. Selbst aus der Ferne konnte er sehen, wie ausdruckslos die Augen unter den dichten Brauen waren, Öltropfen gleich, die nichts von den Gefühlen preisgaben, die sie haben mochte.
Eine Weile standen sie sich gegenüber und schwiegen. Der Mann hustete blutige Bläschen. Wenigstens hatte er mit dem Winseln aufgehört. Weder der Druide noch die Druidin schenkten ihm Beachtung. Dann begannen sie die Leichen zu umrunden, langsam im Kreis, den anderen stets im Blick. Das Licht ertrank hinter den Zweigen. Bald war alles Schatten und Schemen in schmelzendem Blei. Die Druidin spreizte die Finger. Er spannte reflexartig die Muskeln, obwohl er wusste, dass er unfähig war, etwas gegen sie zu unternehmen. Doch sie griff nicht an – nicht ihn. Kurz schoss ein Vibrieren durch den Boden, als zucke eine Ader im Gewebe der Erde. Ein Aufschrei erklang, dann fiel der Mann mit einem heftigen Schütteln zurück. Zähneklappern drang aus dem Farngestrüpp, schließlich erstarb auch dieses Geräusch. Der Wald hatte seine Stille wieder.
Der Druide und die Druidin waren fast auf Armlänge aneinander herangekommen. In der Dunkelheit konnte er ihre Züge nur ahnen. Er spürte, dass er lächeln musste. Sein Herz zitterte, war ein rauschendes Blatt im Wind.
»Du hast auch noch kein Totenlicht gefunden«, sagte sie, er fühlte ihre Stimme Spinnweben gleich auf der Haut, zart, unmöglich abzustreifen. Ihre Stimme war sehr schön.
»Glaubst du, ich hätte dich sonst angegriffen?«, entgegnete er leise.
Sie antwortete nicht. Er fragte sich, ob sie ihn attackiert hätte, wäre sie in Besitz eines Totenlichts. Nein, lieber dachte er nicht darüber nach. »Ich verfolge den Mann. Wie du.«
»Den Isen mit dem Totenlicht.«
»Er hat die Karawanenleute überfallen.« Der Druide blickte auf die Männer in den dunklen Lachen. »Sein Schwert hat sie niedergestreckt. Er kennt die Kräfte des Totenlichts nicht. Vielleicht weiß er nicht einmal, dass er es in sich trägt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er es Totumé überhaupt entwendet hat. Und wie er Mercurin davongekommen ist. Schließlich hat Mercurin doch das Totenlicht aus Har’punaptra.«
Einen Moment schwiegen sie. Sahen sich an. Sie war nicht hübsch, ihr Gesicht zu lang, und sie gab sich keine Mühe, mit Magie etwas daran zu ändern. Doch er träumte von ihrem blassen Hals, ihren Knien, seit er sie zuletzt berührt hatte. Damals, in Hellesdîm, in einem anderen Leben. Einem Traum vor dem Albtraum.
»Ich werde den Isen kriegen, nicht du«, sagte sie leise.
Er schüttelte den Kopf.
»Wenn du das Totenlicht
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