Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
ich wenigstens die Tabellen einnehmen könnte. Nein, die Tabletten.
    Aber ich kriege sie nicht hinunter. Sie sind zu groß. Und im Wasser auflösen darf man sie nicht. Denke ich mir wenigstens. Weil sie dann nicht wirken.« Sie hielt erschöpft inne.
    »Ich fürchte, Sie sind vom Thema abgekommen«, meinte Hilde.
    Der Geheimrat lächelte gutmütig. »Hausdamen, die bellen, beißen nicht«, sagte er.

Das dritte Kapitel - Mutter Hagedorn und Sohn
    Am selben Tage, ungefähr zur gleichen Stunde, klopfte Frau Hagedorn in der Mommsenstraße an die Tür ihres Untermieters Franke. Es ist nicht sehr angenehm, in der eigenen Wohnung an fremde Türen klopfen zu müssen. Aber es läßt sich nicht immer vermeiden. Am wenigsten, wenn man eine Witwe mit einem großen Sohn und einer kleinen Rente ist und wenn der große Sohn keine Anstellung findet.
    »Herein!« rief Herr Franke. Er saß am Tisch und korrigierte Diktathefte. »Saubande!« murmelte er. Er meinte seine Schüler.
    »Die Lausejungen scheinen manchmal auf den Ohren zu sitzen statt auf…«
    »Vorsicht, Vorsicht«, äußerte Frau Hagedorn. »Ich will das nicht gehört haben, was Sie beinahe gesagt hätten. Wollen Sie eine Tasse Kaffee trinken?«
    »Zwei Tassen«, sagte Herr Franke. »Haben Sie schon die Zeitung gelesen?« Die Apfelbäckchen der alten Dame glühten. Franke schüttelte den Kopf.
    Sie legte eine Zeitung auf den Tisch. »Das Rotangestrichene«, meinte sie stolz.
    Als sie mit dem Kaffee zurückkam, sagte der Untermieter: »Ihr Sohn ist ein Mordskerl! Schon wieder einen ersten Preis! In Bruckbeuren ist es sehr schön. Ich bin auf einer Alpenwanderungdurchgekommen. Wann geht die Reise los?«
    »Schon in fünf Tagen. Ich muß rasch ein paar Hemden für ihn waschen. Das ist bestimmt wieder so ein pompöses Hotel, wo jeder einen Smoking hat. Nur mein Junge muß im blauen Anzug herumlaufen. Vier Jahre trägt er ihn nun. Er glänzt wie Speckschwarte.«
    Der Lehrer schlürfte seinen Kaffee. »Das wievieltePreisausschreiben ist das eigentlich, das der Herr Doktor gewonnen hat?«
    Frau Hagedorn ließ sich langsam in einem ihrer abvermieteten roten Plüschsessel nieder. »Das siebente! Da war erstens vor drei Jahren die große Mittelmeerreise. Die bekam er für zwei Zeilen, die sich reimten. Na, und dann die zwei Wochen im Palace Hotel von Château Neuf. Das war kurz bevor Sie zu uns zogen. Dann die Norddeutsche Seebäderreise. Beim Preisausschreiben der Verkehrsvereine. Dann die Gratiskur in Pystian. Dabei war der Junge gar nicht krank. Aber so etwas kann ja nie schaden. Dann der Flug nach Stockholm. Hin und zurück. Und drei Tage Aufenthalt an den Schären. Im letzten Frühjahr vierzehn Tage Riviera. Wo er Ihnen die Karte aus Monte Carlo schickte. Und jetzt die Reise nach Bruckbeuren. Die Alpen im Winter, das ist sicher großartig. Ich freue mich so. Seinetwegen. Für tagsüber hat er ja den Sportanzug.
    Er muß wieder einmal auf andere Gedanken kommen. Könnten Sie ihm vielleicht Ihren dicken Pullover leihen? Sein Mantel ist ein bißchen dünn fürs Hochgebirge.«
    Franke nickte. Die alte Frau legte ihre abgearbeiteten Hände, an denen sie die sieben Erfolge ihres Sohnes hergezählt hatte, in den Schoß und lächelte. »Den Brief mit den Freifahrscheinen brachte der Postbote heute früh.«
    »Es ist eine bodenlose Schweinerei!« knurrte Herr Franke. »Ein so talentierter Mensch findet keine Anstellung! Man sollte doch tatsächlich...«
    »Vorsicht, Vorsicht!« warnte Frau Hagedorn. »Er ist heute zeitig fort. Ob er’s schon weiß? Er wollte sich wieder einmal irgendwo vorstellen.«
    »Warum ist er denn nicht Lehrer geworden?« fragte Franke. »Dann wäre er jetzt an irgendeinem Gymnasium, würde Diktathefte korrigieren und hätte sein festes Einkommen.«
    »Reklame war schon immer seine Leidenschaft«, sagte sie. »Seine Doktorarbeit handelte auch davon. Von den psychologischen Gesetzen der Werbewirkung. Nach dem Studium hatte er mehrere Stellungen. Zuletzt mit achthundert Mark im Monat. Weil er tüchtig war. Aber die Firma ging bankrott.« Frau Hagedorn stand auf. »Nun will ich aber endlich die Hemden einweichen.«
    »Und ich werde die Diktate zu Ende korrigieren«, erklärte Herr Franke. »Hoffentlich reicht die rote Tinte. Mitunter habe ich das dumpfe Gefühl, die Bengels machen nur so viele Fehler, um mich vor der Zeit ins kühle Grab zu bringen. Morgen halte ich ihnen eine Strafrede, daß sie denken sollen…«
    »Vorsicht, Vorsicht!« sagte die alte Dame,

Weitere Kostenlose Bücher