Du lebst, solange ich es will
herunterleuchtet, sehe ich, dass es Gaby ist. Ihr Hals schimmert blutrot, als wäre er mit roter Farbe bemalt, und auf dem Betonboden hat sich bereits eine rote Lache gebildet.
»Helfen Sie uns!«, rufe ich und presse meine Hand auf ihren Hals. »Sie ist verletzt!« Warmes Blut sickert zwischen meinen Fingern hindurch.
Der erste Polizist, der die Stufen herunterkommt, richtet seine Waffe auf jemand hinter uns.
»Waffe runter!«
Ich drehe mich um. Drew steht wie versteinert da, in der einen Hand baumelt die Taschenlampe, mit der anderen hält er die Waffe noch fest umschlungen, während Blut von seinem Arm tropft. Er blickt starr auf einen Haufen, der hinter Gaby und mir liegt - die Überreste des Mannes, der mich hier gefangen gehalten hat. Drew hat den Mund zu einer Mischung aus Grimasse und Fauchen verzogen. Er scheint den Polizisten überhaupt nicht wahrzunehmen.
Mir wird klar, dass der Polizist denken könnte, Drew wäre der Verbrecher, wenn er die Waffe nicht bald runternimmt.
»Drew«, sage ich so beruhigend und vernünftig, wie ich kann, »es ist gut. Leg die Waffe hin und hilf mir mit Gaby.«
Er starrt mich an und rührt sich nicht. Die Zeit scheint still zu stehen. Ich glaube, keiner von uns blinzelt auch nur. Schließlich schüttelt Drew leicht den Kopf, dann bückt er sich und legt zuerst die Taschenlampe und dann die Waffe auf den Boden. Während der erste Polizist seine Waffe wegsteckt, kommen weitere die Treppe heruntergeeilt.
Drew streift sich das rote Poloshirt über den Kopf und wirft es mir zu. Ich presse es an Gabys Hals. Sie zeigt keinerlei Regung. Ich rede mir ein, dass sie noch am Leben ist. Sie muss es einfach sein. Ich meine, Tote bluten doch nicht mehr, oder?
Das Licht geht wieder an und wir kneifen geblendet die Augen zusammen. Überall ist so viel Blut, dass es schon unecht aussieht, vor allem in diesem sonst so aufgeräumten Raum, in dem die blutüberströmten Menschen das Einzige sind, was fehl am Platz wirkt. Gaby sieht aus wie eine Wachspuppe. Die Polizisten brüllen Befehle, rufen nach einem Krankenwagen und beugen sich über den Mann, der mich entführt hat. Einer schiebt mich beiseite und kümmert sich um Gaby. Ein anderer wickelt etwas um Drews Arm.
Ich stehe auf und gehe aus dem Weg. Als ein Polizist seine Hand an den Hals des Mannes legt, sich aufrichtet und den Kopf schüttelt, überkommt mich unendliche Erleichterung. Es ist vorbei. Es ist wirklich vorbei. Meine Knie werden weich und beinahe breche ich zusammen.
»Kayla«, sagt Drew und ich reiße meinen Blick von dem toten Mann los. Ich sehe zu Drew, in seine hellen, blauen Augen. »Gaby wusste es die ganze Zeit«, sagt er. »Sie hat versucht, allen klarzumachen, dass du noch lebst.«
Fünf Minuten später wird Gaby von zwei Sanitätern auf eine Krankentrage gebunden. Die Polizisten haben Drew und mich voneinander getrennt. Ich sehe, wie er gestikuliert und mit seinem behelfsmäßig verbundenen Arm auf die Leiche des Mannes in der Ecke zeigt. Auf den Mann, der mich hier festgehalten hat. Der Mann, der mich töten wollte. Sie haben noch nicht einmal sein Gesicht bedeckt.
Ein anderer Polizist berührt mich sanft am Arm und ich drehe mich zu ihm um. Er hält einen Notizblock in der Hand. »Und du bist...?«
»Kayla. Kayla Cutler.«
Er reißt die Augen auf. »Kayla Cutler? Die bei Pete’s Pizza gearbeitet hat?«
Ich nicke. An seiner Reaktion wird mir klar, dass ich - hätte der Fernseher hier unten nicht grau geflimmert - in den Nachrichten meinen Namen gehört und mitbekommen hätte, wie sie nach mir suchen.
»Und dieser Mann«, er deutet mit dem Kopf auf ihn, »wer war das?«
»Ein Kunde, aber ich weiß nicht, wie er heißt. Ich kenne ihn nur vom Sehen. Er hat mich hier eingesperrt.« Ich schaudere. »Er wollte, dass ich ihn Meister nenne.«
Der Polizist presst die Lippen einen Moment aufeinander. »Und wie ist er gestorben?«
»Drew hat den Mann erschossen, als er Gaby einen Schraubenzieher in den Hals stieß.« Wir drehen uns beide um und sehen zu den Sanitätern, die Gaby gerade die Treppe hochtragen. Ihr Mund ist schlaff, ihre Augen sind geschlossen.
Sie haben auch einen Krankenwagen für Drew und mich gerufen und der Polizist sagt, alle restlichen Fragen können warten, bis wir im Krankenhaus untersucht worden sind. Er stützt mich am Arm, als wir nach oben gehen. Der Vorgarten ist voller Polizeiwagen. Weit und breit ist kein anderes Haus zu sehen. Niemand hätte meine Schreie gehört.
Bei einem der
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