Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)
wusste, dass Blair jederzeit Zugang zum Präsidenten hatte. Daher hoffte ich, dass er diesen mündlich unterrichten oder seinem Sicherheitsberater eine Kopie meiner Notizen übergeben würde. »Sie können davon ausgehen«, lächelte Blair und verabschiedete sich.
Beim Hinausgehen fragte er noch: »Warum machen Sie das alles? Sie haben ja, wie ich gelesen habe, eine kritische Haltung gegenüber der iranischen Regierung.« – »Weil ich zu viele Kriege gesehen habe. Und weil ich glaube, dass der Zeitpunkt gekommen ist, das Verhältnis zwischen Teheran und Washington in Ordnung zu bringen«, erwiderte ich.
Meine wie immer aus der eigenen Tasche bezahlte Reise nach Virginia war offenbar vergeblich. Die amerikanische Regierung ließ das Verhandlungsangebot unbeantwortet. Frieden ist ein mühsames Geschäft. Vor allem, wenn die eine Seite gar keinen Frieden will. Sondern allenfalls eine Kapitulation.
Wenige Wochen vor der UN-Vollversammlung im September 2011 wandte sich mein Gesprächspartner aus Teheran noch einmal telefonisch an mich. Ahmadinedschad werde sich mehrere Tage in New York aufhalten. Er sei bereit, mit Vertretern der amerikanischen Regierung zu sprechen. Notfalls vertraulich. Wieder informierte ich die Bundesregierung. Diese unterrichtete Washington. Doch auch dieses Mal gab es kein einziges Gespräch. Was für ein kindisches, verantwortungsloses Spiel!
Selbstverständlich können westliche Spitzenpolitiker nicht mit jedem Politiker der Welt sprechen. Aber wenn es um Krieg oder Frieden geht, haben sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, jede Verhandlungschance zu nutzen und auch mit ungeliebten Feinden zu reden. Vor allem, wenn diese das ausdrücklich anbieten. Mein hochrangiger iranischer Gesprächspartner hat sich nie wieder mit einer Bitte an mich gewandt.
Die starken Nerven des Botschafters
Auch Botschafter Ali Reza Sheikh Attar hatte nie Grund, mit mir zufrieden zu sein. Ich hatte ihm nicht nur mit meiner Anti-Ahmadinedschad-Rede im Jahr 2008 Schwierigkeiten bereitet. Ich hatte ihm auch berichtet, dass ich bei einer früheren Reise nach Isfahan mit einem Taxi zu den Nuklearanlagen gefahren war. Sie befinden sich neben mächtigen Felsmassiven – und inzwischen wahrscheinlich längst darunter. Trotz zahlreicher Verbotstafeln hatte ich die Anlagen fotografiert. Dass das mit Gefängnis bestraft werden kann, war mir damals egal.
Besonders gelungen war das Foto eines iranischen Wachsoldaten an einem der Eingänge zum Nukleargelände. Er saß auf einer uralten Flak und schlief den Schlaf des Gerechten. Wie die Iraner mit derart veralteten Waffen amerikanische oder israelische Hightech-Flugzeuge oder Marschflugkörper abwehren wollten, war mir schleierhaft.
Als die iranische Regierung die unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mussawi und Karroubi im Februar 2011 nach Aufrufen zu Massenprotesten unter Hausarrest stellte, schrieb ich Sheikh Attar einen bitteren Protestbrief. Ich bat ausdrücklich um Weiterleitung des Schreibens an seine Regierung, was er, reichlich vergrätzt, wohl auch tat.
Als im Herbst 2010 in Täbris zwei Bild -Reporter festgenommen wurden, ersuchte ich ihn kurzfristig um einen Termin. Ich bat ihn mitzuhelfen, die beiden Deutschen möglichst schnell wieder freizubekommen. Er erläuterte mir, dass sich der Fall längst in den Händen der iranischen Justiz befinde. Es liege ein klarer Verstoß gegen iranische Gesetze vor. Die Bild -Journalisten hätten Interviews geführt, ohne ein Journalistenvisum zu besitzen. Aber machte ich das nicht ständig auch?
Das Interview sei ferner auf Vermittlung einer in Iran verbotenen »terroristischen Vereinigung« zustande gekommen, die selbst in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Auch die deutsche Bundesregierung könne die Gerichte nicht einfach anweisen, Gefangene freizulassen.
Es müsse doch Wege geben, den Journalisten zu helfen, erwiderte ich. Deutschland habe ja auch schon Gefangene aus politischen Gründen freigelassen. Erich Honecker zum Beispiel. Mir war klar, dass das kein besonders guter Vergleich war.
Nach zahlreichen Telefonaten und einem weiteren Besuch erklärte mir Sheikh Attar, wie man die Bild -Reporter möglicherweise freibekommen könne. Der deutsche Außenminister müsse dabei allerdings sehr beweglich sein. Man habe zwar offizielle Kontakte zu seinem »exzellenten« Staatssekretär. Protokollarisch müsse man jedoch in diesem heiklen Fall eine Stufe höher gehen.
Da ich Westerwelle nicht gut genug
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