Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder
zitterten ein wenig – die Hände, mit denen er so sicher das Skalpell führen oder eine Wunde verarzten konnte. Er hob Lizzies Schleier und sah voller Bewunderung in ihr Gesicht. Sie glühte vor Glück.
Sein Kuss war nicht so leidenschaftlich, wie er es später am Abend vorhatte, wenn sie allein in ihrem Cottage waren, sondern ehrfürchtig. Ein heiliger Schauer durchfuhr beide, als ob ihre Ehe nicht nur auf der Erde, sondern auch im Himmel geschlossen würde, für immer und ewig.
Die Orgel brauste wieder auf, ein fröhliches, triumphales Lied erklang, und darüber hinweg schrie eine Kinderstimme: “Es ist vorbei!”
Und obwohl Morgan mit den anderen lachte, dachte er:
Es ist nicht vorbei. Oh, nein. Das ist erst der Anfang.
Der Empfang fand in der Lobby des Arizona Hotels statt, wo ein gigantischer Weihnachtsbaum über die Gästeschar aufragte, geschmückt mit Lametta und schimmernden Glaskugeln. Darunter häuften sich die Geschenke. Lizzies Großvater hatte sie auf seinen Schlitten geladen und in die Stadt gebracht. Die meisten McKettricks wollten im Hotel übernachten. Einige verbrachten die Nacht bei dem Ehepaar Thaddings.
Lizzie, der schwindlig war vor Glück, aß von dem Kuchen und posierte für den Fotografen, Morgan immer an ihrer Seite. Es gab Unmengen von Hochzeitsgeschenken: selbstgenähte Quilts, bestickte Geschirrtücher und Kopfkissen. Sie wurde umarmt, geküsst und geherzt.
Eine Musikkapelle spielte, und sie tanzte zuerst mit ihrem Vater, dann mit ihrem Großvater und schließlich mit Morgan. Als es endlich an der Zeit war zu gehen, war Lizzie zugleich erleichtert und nervös. Jetzt war sie Morgans Frau. Und sie hatte ein Geschenk für ihn, das man nicht in hübsches Papier einwickeln und mit einem glitzernden Band zubinden konnte.
Wie würde er wohl reagieren?
Ein Pferdeschlitten wartete bereits auf der verschneiten Straße auf Braut und Bräutigam. Lizzie ließ ihren Schleier in Loreleis Obhut zurück, dann bestieg sie den Schlitten, wo Morgan sie sofort in eine dicke Decke einwickelte und an sich drückte. Als sie durch die wirbelnden Schneeflocken nach vorn blickte, entdeckte sie eine Gestalt gebückt an den Zügeln sitzen und überlegte, um welchen ihrer Onkel es sich wohl handelte.
Der Schlitten trug sie durch die Nacht.
Aus den Fenstern des Cottages fiel goldenes Licht in die stürmische Nacht. Morgan half Lizzie vom Schlitten und trug sie zur Eingangstür. Als sie über die Schulter ihres frischgebackenen Ehemanns sah, erhaschte sie einen kurzen Blick auf den Fahrer, der seinen Hut lüftete, und erkannte Mr. Christian. Sie wollte ihm etwas zurufen, doch der Sturm wurde immer lauter, und schon verschwanden Pferde, Schlitten und Fahrer in einem riesigen Wirbel aus Schneeflocken.
Morgan trug sie über die Schwelle.
Irgendjemand hatte den kleinen Weihnachtsbaum geschmückt und auf einen Tisch vor das Fenster gestellt. Lizzie warf ihn beinahe um, als sie dorthin stürzte, um ihren Engel noch einmal zu sehen.
Der Wind hatte sich gelegt, dicke, weiche Schneeflocken fielen langsam vom Himmel und bedeckten friedvoll die Straßen.
“Lizzie, was ist los?” Morgan nahm sie von hinten in die Arme und zog sie an sich.
“Ich dachte, ich hätte …”
“Was?”
Seufzend drehte sie sich zu ihm um. “Ich dachte, ich hätte einen Engel gesehen.”
Morgan küsste sie lächelnd auf die Stirn. “Es ist Heiligabend. Da könnten durchaus ein oder zwei Engel in der Nähe sein.”
Wenn sie diesen Mann auch nur noch ein kleines bisschen mehr lieben würde, würde sie platzen. Sie lächelte. “Ich habe ein Weihnachtsgeschenk für dich, Morgan”, sagte sie sehr leise.
Er sah zu den Päckchen unter dem kleinen Christbaum und hob fragend eine Augenbraue.
Lizzie nahm seine Hand und legte sie zart auf ihren Bauch. “Ein Kind”, flüsterte sie. “Wir bekommen ein Kind.”
Überrascht und entzückt starrte er sie an. “Wann, Lizzie?”
“Im Juli, denke ich”, entgegnete sie ein wenig schüchtern – und sehr erleichtert. Sie war sich überhaupt nicht ganz sicher gewesen, ob Morgan sich freuen würde, da sie gerade erst geheiratet hatten und sich gemeinsam eine Zukunft aufbauen wollten.
Morgan öffnete vorsichtig die Schnüre ihres Mantels und schob ihn von ihren Schultern. “Im Juli”, wiederholte er.
“Es wird Gerede geben”, warnte sie ihn. “Immerhin bin ich hier die Schulmeisterin.”
“Du weißt doch, was man sagt. Das erste Kind kann jederzeit kommen, die anderen brauchen neun
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