Ein Jahr - eine Chance
Mit kurzen Sätzen erzählte er ihm, was er vorhatte.
„Das ist alles?“
Torben Crawford nickte langsam. Frank ließ ihn nicht aus den Augen.
„Es hat dich erwischt, alter Freund“, platzte es nach einer Weile grinsend aus ihm heraus.
„Quatsch. Ja, ich gebe zu, ich finde sie interessant und sie sieht ja auch gut aus. Sie hat eine saubere Weste, also die perfekte Partnerin für mich. Die nächsten Monate werden sehr anstrengend. Unzählige Einladungen zu Empfängen und Bällen liegen vor mir und mit ihr an der Seite wäre es um einiges einfacher für mich.“
Noch immer musterte Frank seinen Freund.
„Du kannst ruhig zugeben, dass du mehr für sie empfindest. Dann hätte ich noch Hoffnung, dass du doch noch nicht ganz verloren bist.“
Torben Crawford lachte laut auf.
„Ja, sie gefällt mir! Zufrieden?“
Er schritt an seinem Freund vorbei, klopfte ihm im Vorübergehen auf die Schulter und setzte sich dann an seinen Schreibtisch.
„Ganz ehrlich? Im Moment kann ich nur abwarten und ich gebe zu, dass ich hoffe, dass sie mein Angebot annimmt. Hast du alles für morgen vorbereitet? Wir fliegen um kurz nach zwölf. Wenn sie bis zwölf Uhr nicht da ist, lehnt sie das Angebot ab.“
„Und dann?“
Torben Crawford zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist. Außerdem sind wir dann vermutlich die nächsten sechs Wochen unterwegs.“
Torben Crawford widmete sich seinen Unterlagen auf dem Schreibtisch. Frank musterte ihn noch einen Moment und verließ dann das Büro.
Als Madeleine ihre Wohnungstür aufschloss, trat sie direkt in ihre Küche. Ihr Vater stand an die Arbeitsplatte gelehnt, die Beine locker übereinandergelegt, die Arme vor der Brust verschränkt mit einer Tasse Kaffee in der Hand.
Madeleine schluckte. Er stand genauso da wie Mr. Crawford vorher an seinem Schreibtisch. Sie war immer sehr stolz auf ihren Vater, der sehr gut aussah, eine gute, muskulöse Figur hatte. Er wurde nie älter, sondern höchstens reifer. Seine Haare waren mittlerweile leicht grau, seine Haut stets braun gebrannt.
„Hey Dad“, begrüßte sie ihn liebevoll.
„Hallo Kleines. Wie war es?“
Irritiert sah sie ihn an, aber genau in diesem Moment kam Pia aus dem Schlafzimmer gestürzt und fiel ihr stürmisch um den Hals.
„Gott sei dank, da bist du ja wieder. Ich hatte solche Angst um dich!“
Madeleine lächelte leicht und drückte ihre Schwester an sich.
„Das sind alles nur Menschen, Pia. Wenn vielleicht auch nicht wie du und ich, aber auch nur Menschen.“
Rudolf Morgen drehte sich herum und goss seinen Mädels auch eine Tasse Kaffee ein.
„So Mädels, setzt euch her. Heidi hat mir selbst gebackenen frischen Streuselkuchen für euch mitgegeben. Also? Was ist hier los? Soll ich raten? Pia hat mal wieder etwas angestellt?“
Sein wartender Blick wanderte zwischen Pia und Madeleine hin und her, aber Pia nahm nur schnell ihre Tasse und trank einen Schluck Kaffee.
Madeleine seufzte leicht, nahm sich ein Stück Kuchen und sagte ruhig: „Ich war bei Mr. Crawford“, und biss herzhaft in den Streuselkuchen.
Rudolf Morgen sah seine älteste Tochter irritiert an.
„Was machst du bei Torben Crawford? Soweit ich weiß, ist er ewiger Junggeselle und hat keine Kinder, denen du Privatunterricht geben könntest.“
Madeleine sah auffordernd ihre Schwester an und biss erneut in den Kuchen.
„Sie war wegen mir bei ihm“, sagte Pia dann endlich leise.
„Schön, dass du es wenigstens selber sagst. Befürchtet hatte ich schon so etwas. Wann lernst du eigentlich, dass das Leben nicht nur ein Spiel ist?“
Rudolf Morgens Stimme war sanft, aber trotzdem ernst.
„Ich verstehe jetzt nur nicht, was du, Pia, mit Mr. Crawford zu tun hast?“
„Kennst du Mr. Crawford?“ Madeleine sah ihren Vater fragend an.
„Ja. Als du damals mit deinem Studium angefangen hast vor sechs Jahren, haben wir seine Straßen für ihn rund um das Hotelcasino gebaut. Er war stets an den Baustellen. Er ist, glaube ich, ein toller Kerl. Streng und fordernd, aber auch immer gerecht und sehr großzügig. Wir haben damals nach Fertigstellung alle einen Extrabonus von ihm bekommen.“
„Ihr habt ja auch stets sehr gut gearbeitet“, sagte Pia, die sich im Moment offensichtlich etwas sicherer fühlte, weil das Thema in eine andere Richtung zu gehen schien.
Rudolf Morgen musterte erneut seine beiden Töchter, aber sein Blick blieb dann bei Pia hängen.
„Sag schon, was du ausgefressen
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