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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihr Atem wurde kurz, Schweiß trat auf ihre Stirn.
    »Das ist ja endlos –«, sagte sie keuchend.
    »Wir sind gleich da … noch ein paar Stufen. So … da wären wir …«
    Dahlmann führte Luise in die leere Wohnung des sechsten Stockwerkes. Die Wände waren noch unverputzt, die Elektrokabel lagen schon in der Wand, Gipssäcke standen herum und zusammengefegte Schmutzhaufen.
    Ohne Zögern, als gingen sie über den Flur zu Dr. Kutschers Büro, führte Dahlmann seine Frau durch die Wohnung zu der offenen Balkontür. Dahinter lag die Plattform, und unter ihr die Tiefe, ungeschützt, zweiundzwanzig Meter Luft. Die Baumaschinen und Baubaracken sahen aus wie Spielzeugmodelle.
    »Es zieht –«, sagte Luise und blieb abrupt stehen.
    Dahlmann atmete tief auf. »Im Haus sind die Maler, Luiserl. Die haben die Fenster zum Teil ausgehängt. Noch fünf Schritte … dann sind wir am Ziel –«
    Luise ging weiter … den Kopf lauschend erhoben … geradeaus … auf das Türloch zu, auf die Plattform ohne Geländer, auf zweiundzwanzig Meter Tiefe …
    Zwei Schritte vor dem Abgrund blieb sie stehen. Dahlmann hatte sich von ihr gelöst, den Arm weggezogen, aber er war noch neben ihr, sie hörte seinen Atem und das Knirschen seiner Schritte. Da wehte sie eine Windbö an, als sie auf den Balkon trat. Ein pfeifender Luftstoß, der gegen ihr Gesicht prallte.
    »Wo bin ich denn?!« schrie sie plötzlich. Urmächtig überfiel sie die Erkenntnis, daß etwas Furchtbares mit ihr geschah. Es war wie eine Explosion in ihr, die sie mit frierendem Grauen überschüttete.
    Es gab kein Zurück mehr, kein Fragen, kein Zögern … mit beiden Händen riß sie die schwarze Brille vom Gesicht und die Haftschalen von den Augen. Das grelle Licht war wie eine neue Explosion, wie damals, als der Kolben im Labor zerplatzte … sie taumelte zurück, warf den Arm vor das Gesicht und versuchte, durch einen Spalt der Lider ihre Umgebung zu erkennen.
    Sie sah, überhell, vor sich die Weite des Nichts, eine Plattform aus rohem Beton und Dahlmanns Hand, die nach ihr griff und sie nach vorwärts drückte.
    »Mörder!« schrie sie grell. »Mörder! Hilfe!«
    Sie warf sich herum, schlug auf Dahlmann ein und umkrallte seine Hände, die erneut nach ihr griffen, mit einer stummen, schrecklichen Gewalt.
    Dahlmanns Gesicht war leer und bewegungslos. Er handelte wie eine Maschine, die die Aufgabe hat, zu stoßen und hinabzuwerfen. Ihr Aufschrei störte ihn nicht, es schien, als habe er ihn gar nicht gehört. Er faßte wieder zu, ergriff Luise an den Schultern und drängte sie hinaus auf die Plattform.
    »Mörder! Mörder!« schrie Luise und trat gegen seinen Leib. »Ich kann sehen … ja, ich kann sehen! Ich kann seit Monaten sehen! Ich habe gesehen, was zwischen Monika und dir war, ich habe alle deine Gemeinheiten gesehen, ich habe dir die Blinde vorgespielt … Sieh mich an! Sieh mich an! Ich habe Augen wie du … ich kann sehen!«
    Dahlmann lockerte den Griff. Er starrte in Luises klare Augen. Monika, dachte er, aber es war ein kaltes Denken. Sie hatte recht. Sie konnte immer schon sehen. Und alles, was ich Zufall nannte, war von ihr geplant. Und Monika starb sinnlos, völlig sinnlos … sie wußte ja schon alles …
    Dahlmann griff wieder zu. Seine stumme, dumpfe Mordlust war nicht mehr menschlich. Mit ungeheurer Kraft umschlang er den Körper Luises und hob ihn vom Boden weg. Zwei Schritte bis zum Abgrund … ich werde sie tragen, zum letztenmal … Auf den Händen werde ich dich tragen, habe ich gesagt, als wir heirateten … Sieh, nun tue ich es wirklich …
    »Du wirst das Gefühl eines Engels haben …«, sagte er plötzlich mit völlig ruhiger Stimme. Er biß sich auf die Lippen und hielt den Atem an.
    Ich bin wahnsinnig, dachte er. Wirklich, ich bin wahnsinnig. Ich bin verrückt geworden in diesen Minuten. Wie merkwürdig das ist … ich weiß, daß ich wahnsinnig bin …
    Er ließ Luise fallen, weil sie mit beiden Fäusten auf seine Nase schlug. Einen Augenblick war es dunkel um ihn, er fühlte, wie es feucht über seine Augen und über den Mund rann. Er leckte daran … süßlich, warmes Blut … Kraft hat sie, Kraft … sie hat mich auf die Augen geschlagen, nun schwellen sie zu … aber erst wird sie fliegen … engelhaft …
    Er lachte und machte einen Schritt vorwärts.
    Es war ein Schritt ins Leere.
    Als er es merkte und sich zurückwerfen wollte, war es zu spät, der Körper kippte nach vorn, lag einen Augenblick waagerecht in der Luft, drehte sich dann

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