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Eiskalte Hand

Eiskalte Hand

Titel: Eiskalte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Muther
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immer noch mit offenen Armen da und wartete. Ein leichtes Opfer. Er hätte es verdient, durch ihre Hand zu sterben. Das rote Licht des Blutsteins verformte weiter sein Gesicht. Seine blutunterlaufenen Augen quollen hervor, seine Lippen waren geplatzt, und das Blut lief ihm am Kinn hinunter. Ein Teil von Mia wollte ihn packen und ihm das Genick brechen. Aus Rache für ihre Familie. „Liebe Mia, denke immer daran, der Pfad des Drachens bedeutet nicht nur Kampf, Selbstverleugnung und Disziplin. Er ist auch ein Pfad der Gutmütigkeit und der Liebe .“ Mia erinnerte sich an Pai Peys Worte, spürte seinen Kuss auf ihrer Stirn. „Ich bin Mia Lin.“, sagte sie mit fester Stimme und ging ein Schritt zurück. Ein roter Strahl verlängerte sich und zog sich langsam durch den Raum in ihre Richtung. Als würde er sich nicht durch die Luft, sondern durch eine zähe Flüssigkeit bewegen. Trotzig wischte Mia sich die Tränen weg. „Wu Jen Lun existiert nicht mehr.“ Sie wollte keine Rache mehr. Sie wollte sich an dieser Elendsgestalt nicht die Finger schmutzig machen. Und den Blutstein brauchte sie nicht. Das dunkle Licht erreichte ihr Bein. Wie ein Tentakel wand es sich um ihn. ‚ Vom Vater zum Sohn, von der Mutter zur Tochter. Bis ans Ende der Zeit. Der Schwur deines Großvaters. Der Schwur deiner Eltern. Es ist nun an dir, ihn zu erfüllen .‘ Angeekelt blickte Mia auf ihrem Bein herunter. „Schwüre sind da, um gebrochen zu werden.“ Mit dem freien Bein trat sie kräftig gegen den Lichttentakel. Fast gleichzeitig stürzte sich Doran Zi auf dem Blutstein. Mia bekam ihr Bein frei, während der Alte gegen die andere Wand geschleudert wurde. Kopfschüttelnd schaute sie sich das Häuflein Elend an, das Doran Zi nunmehr darstellte. In sich zusammengekauert stand er da und kicherte schrill vor sich hin. Jedes bisschen Verstand war aus ihm gewichen. Der Wahnsinn hatte ihn völlig ergriffen.
     
    Wortlos drehte Mia sich um und schritt zügig durch den Korridor. Hinter ihr vernahm sie leise das Schlurfen von Doran Zi, der aber nicht Schritt mit ihr halten konnte. Zielstrebig hielt sie auf die eiserne Leiter zu und kletterte sie behände empor. Oben angekommen betätigte sie den Mechanismus. Rumpelnd verschloss sich der Boden wieder. Von unten hörte sie dumpfe Schreie. Aber das interessierte sie nicht weiter. Ohne mit der Wimper zu zucken, stieg sie einfach die Leiter nach oben.
     
    Wenig später hatte sie bereits das Anwesen verlassen. Alle Türen waren sorgfältig verschlossen, das Siegel am Tor hatte sich von alleine erneuert und die Schutzzauber aktiviert. Das Anwesen konnte wieder in seinen Dornröschenschlaf fallen. Von ihr aus bis in alle Ewigkeit. Die Blitze schleudernde Barriere würde schon dafür sorgen, dass hier so leicht keiner hinein- oder herauskommen würde. Mia seufzte. Dann stapfte sie enttäuscht und zugleich auch ein wenig erleichtert davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Was für ein beschissenes Abenteuer!
     

Kapitel 52
     
     
    Noch einmal drehte sie sich im Sattel um. Ein letzter Blick auf die Stadt, in der sie aufgewachsen war. Quandala – Wiege des Wissens und der Erkenntnis. So nannten die Menschen hier gerne die Perle des Ostens. Stadt der Intrigen und der Lüge – so hatte Mia die Stadt erlebt. Eine große lebenslange Lüge. Egoistisch. Menschenverachtend. Die Leute wurden zum Spielball, zu Spielfiguren in einem großen, erbarmungslosen Spiel. Ein Leben zählte hier nicht viel. All das, wofür sie gelebt und woran sie geglaubt hatte, war mittlerweile zerstört, hatte sich wie eine Fata Morgana in Luft aufgelöst. Es gab nichts mehr, was sie in diesem Land hielt. Kurz hatte sie noch darüber nachgedacht, ihre Freunde aufzusuchen: Huan und Ranja. Aber die hatten ihr eigenes Leben, ihre Aufgaben – und eine Zukunft in Quandala. Für Mia galt das nicht. Sie hielt nichts mehr in diesem Land. Sie wollte einfach nur weg.
     
    Noch während ihres Ritts zurück in die Hauptstadt hatte sie ihren Plan ersonnen – wenn man es denn überhaupt Plan nennen durfte. Dabei kam ihr eine Erinnerung aus ihrer Kindheit in den Sinn. Damals im Kloster hatte sie mit großer Begeisterung Geschichten über eine Stadt weit im Westen gelesen: Tramor. Ein Zufluchtsort für alle Heimatlosen und Abenteurer. Hier sollten angeblich Angehörige aller möglichen Rassen in relativem Frieden miteinander leben. Wundersame Dinge gab es hier. Dinge, über die man selbst in Quandala staunen würde. Mia konnte sich das zwar kaum

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