Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
Vom Netzwerk:
der benachbarten Türen verborgene Gruppe von Arzneimittelvertretern, bereit, die nichtsahnenden Jünger Äskulaps, unschuldige Opfer ihrer aufgedrängten Freundlichkeit, mit wortreichen und manchmal tödlichen Sturzfluten zu überfallen. Der Psychiater empfand sie wegen ihrer übermäßig höflichen und gutgekleideten Wortgewandtheit als Verwandte der Autoverkäufer, Bastardbrüder, die sich aufgrund einer obskuren chromosomalen Verirrung von der Herkunftslinie der Natriumlichtscheinwerfer ab- und den Salben gegen Rheuma zugewandt hatten, ohne jedoch der unermüdlich eilfertigen Lebhaftigkeit des Ursprungs verlustig zu gehen. Ihn verblüffte, daß diese Stehaufmännchen des Wohlverhaltens, Besitzer von dicken Aktentaschen, die das Geheimnis enthielten, wie aus rachitischen Buckligen Champions des Dreisprungs zu machen war, ihm zuhauf die Aufmerksamkeiten der Heiligen Drei Könige zuteil werden ließen, als kostbare Gaben Plastikkalender mitbrachten, die sich für die Antisyphilis-Präservative »Donald« stark machten, den Erzfeind des Bevölkerungswachstums, der sich weich anfühlte und am unteren Ende eine Krone aphrodisierender
Härchen besaß, Schachspiele aus Pappe, die auf allen Spielfeldern diskret die Meriten des gedächtnisfördernden Sirups »Einstein« priesen (drei Geschmacksrichtungen: Erdbeere, Ananas und Lendensteak), und Brausetabletten, die den Durchfall zukorkten, dem Sodbrennen jedoch die Zügel schießen ließen und so die Bauchkranken zwangen, sich mit dem Brennen im Magen zu beschäftigen, ein Ablenkungsmanöver, das dem in kleinen therapeutischen Schlucken am Tresen der Pastelarias getrunkenen Viertelliter Água das Pedras zugute kam. Die Doktoren entrannen ihren grausamen Zangen, unter dem Gewicht von Broschüren und Proben schwankend, schwindlig von den mit chemischen Formeln, Einnahmehinweisen und Nebenwirkungen gespickten Redeschwällen, und einige brachen, die Pillenspucketröpfchen des letzten Atemzuges ringsum versprühend, nach dreißig oder vierzig Metern zusammen. Ein gleichgültiger Angestellter fegte, Totengräbergrabesläuten grummelnd, ihre klinischen Reste ins Massengrab eines verbeulten Mülleimers.
    Der Arzt kam, den Schutz von zwei Polizisten ausnutzend, die einen würdigen Alten mit dem Gesicht eines Notariatsbürovorstehers eskortieren, der in die wirren Stoffteile einer Zwangsjacke gewickelt war, heil an der bedrohlichen Bande der Pharmavertreter vorbei, die ihn mit dem Sirenengesang gleichzeitigen Lächelns lockten, das wie ein Akkordeon die dienstfertigen Wangen faltete: Demnächst, dachte er, ertränken die mich in einer Flasche der antibiotischen Suspension »Amigdal«, wie mein Vater, der, warum habe ich das nie begriffen, im verschließbaren Teil des Regals in einer Röhre mit Alkohol eine Tausendfüßlerleiche als Jagdtrophäe verwahrte, und verkaufen mich dann, verschrumpelt wie eine Fehlgeburt,
an die medizinische Fakultät, um mich in der Horrorschau der Anatomie auszustellen, einer Mischung aus wissenschaftlicher Schlachterei und Geisterbahn, in der Skelette an vertikalen Eisen hängen wie welke Topfnelken, die ihre Mutlosigkeit mit Rohrstöcken stützen, und einander mit den leeren Blicken von Reservesoldaten mustern.
    Im Schutz der Ehrenjungfern des Notariatsbürovorstehers, dessen Schnurrbart vor autoritärer Schüchternheit zitterte, kam der Psychiater unversehrt an einem Alkoholiker vorbei, einem Insassen, der zu seinen Bekannten gehörte und ihm jeden Morgen beharrlich haarklein von unendlichen ehelichen Streitereien erzählte, in denen die Argumente durch lebhafte Feldschlachten mit Töpfen ersetzt wurden (Also, Scheiße auch, Mann, da hab ich ihr einen über den Kopf gebraten, hör mal, Doktor, da hat sie mir hinterher ‘ne Woche lang Brillantine gespuckt), an einer spillerigen Dame, die Sekretärin war und in Panik vor dem Sperma ihres Ehemannes lebte und ihn ängstlich über die vergleichbare Wirksamkeit von zweihundertsiebenundzwanzig verschiedenen Verhütungsmitteln auszufragen pflegte, und an einem Kranken mit dem biblischen Bart eines Teichneptuns, der eine begeisterte Bewunderung für ihn hegte, die sich in gebrüllten Lobgesängen äußerte, alle von den Ammen der Zwangsjacke in respektvollem Abstand gehalten, einander den jeweiligen Knoblauchatem in die haarigen Ohren flüsternd. Er kam am Büro des Zahnarztes vorbei, dieses Gaumenentvölkerers, der jaulend gegen einen hartnäckigen Backenzahn kämpfte, und glaubte sich bereits wunderbar

Weitere Kostenlose Bücher