Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
vermutlich zwischen null und zwei Uhr morgens...
Pieplow glaubte die Berichtsstimme des Professors zu hören.
Aber wer war dann in Wandas Haus gewesen?
Und warum?
»Ich muss sie noch mal fragen«, murmelte er und hätte sich am liebsten sofort auf den Weg zu Nora Schilling gemacht und sich vergewissert, dass seine Berechnungen stimmten. Dass es mindestens halb eins war, als bei Wanda Licht brannte.
»Aber nicht jetzt! Jetzt gehen wir Eis essen«, verlangte Marie.
»Ich will auch Eis!«, forderte Leonie.
Pieplow hatte es versprochen.
»Nur unter der Bedingung, dass ich etwas abbekomme«, willigte er ein und wusste doch, dass er nur halb bei der Sache sein würde. Bei der Eissache und allem anderen auch, was er sich unter einem unbeschwerten Nachmittag vorgestellt hatte.
Es dauerte noch mehr als eine Stunde bis zur Abfahrt des Fünf-Uhr-Schiffs. Trotzdem herrschte am Hafen schon reges Treiben. Auf Willis Fischbarkasse genauso wie an den Postkartenständern der Strandkiste und auf den Bänken am Bollwerk. Unter den Sonnenschirmen der Hafenbar gab es keinen einzigen freien Tisch.
»Lass uns woanders hingehen«, sagte Marie.
»Ich will aber Eis«, quengelte Leonie.
Und während sie noch überlegten, hob jemand den Arm über die Köpfe der anderen Gäste, winkte sie heran und rief begeistert: »Na, das nenne ich eine Überraschung!« Der seriöse Herr Matze.
Er wirkte irgendwie derangiert. Sein Jackett hing über der Stuhllehne, der Schlips saß schief und das Hemd war unter den Armen gewaltig verschwitzt. In seinem Glas neben dem Aschenbecher schmolz Eis in einem Rest Whisky. Aber seine Umgangsformen waren untadelig. Er stand auf, schob einen Stuhl für Marie zurecht und verbeugte sich knapp, als sie Platz nahm.
»Frau Pieplow, nehme ich an.« Er lächelte so charmant, dass Pieplow sich ärgerte.
»Bislang nicht«, sagte Marie und lächelte zurück.
Jetzt schwitzte auch Pieplow und hätte gern sofort gewusst, wie sie das meinte. Stattdessen übernahm er es, sie einander vorzustellen. Marie Eggert und ihre Tochter Leonie, die beiden wichtigsten Frauen in seinem Leben. Matthias Behnsen, früher Hansdampf in den Gassen des Darß und heute genauso bewandert in allem, was mit Geld zu tun hatte. Vermutete Pieplow.
»Ach, und deswegen sind Sie auch hier?« Mit dem Kopf deutete Marie zur Aktenmappe neben Glas und Aschenbecher.
»Sie sagen es, Marie. Man muss sich kümmern heutzutage. Kontenpflege, Beratung, Service. Da kommt schon mal die Bank zum Kunden, wenn’s gewünscht wird. Auch wenn es eine kleine Weltreise von Stralsund nach Kloster bedeutet.« Er lachte zu laut und trank zu schnell.
Irgendetwas hatte ihn aus dem Konzept gebracht.
Pieplow bestellte. Kaffee für die Großen, Kakao für das Kind. Die Damen wünschten sich Eis.
Behnsen orderte dasselbe noch mal. Doppelter Whisky, zwei Würfel Eis.
»Wieso bist du überhaupt schon hier? Sagtest du nicht halb fünf?«
Matthias Behnsen fuhr sich mit der flachen Hand über den Kopf. Wischte sich durch das Gesicht. Atmete schwer.
»Sagte ich, ja. Manchmal geht es doch schneller als erwartet. Es gibt eben... wie soll ich sagen... sehr spezielle Kunden.« Er sah zwischen Marie und Pieplow hindurch übers Wasser dorthin, wo Stralsund lag. »Man will nur das Beste und dann... Ihr entschuldigt mich kurz?« Als er sich auf den Tisch stützte um aufzustehen, rollte der Hemdärmel herab.
An der linken Manschette fehlten die Knöpfe.
Pieplow wartete, bis Behnsen in der Lokaltür verschwand, dann öffnete er die Mappe.
»Daniel! Du kannst doch nicht...« Sie sah sich wie eine Komplizin um. »Hast du schon mal was von Bankgeheimnis gehört?«
Es ging um viel Geld. Sehr viel sogar, das sah Pieplow sofort. Und auch, dass es bewegt werden sollte, auf andere Konten, zu anderen Banken.
Pieplow blätterte hastig. Verkaufsaufträge. Löschungsmitteilungen. Zahlungsanweisungen.
Es sah ganz so aus, als wenn Matthias Behnsen und seine Bank gerade eine profitable Kundin verloren.
»Warum tust du das? Diese Sachen gehen dich doch wirklich nichts an.« Marie warf vorsichtshalber einen Blick über die Schulter. Noch war von Behnsen nichts zu sehen.
»Er ist angegriffen worden, und ich glaube, ich weiß auch, von wem«, sagte Pieplow. Er überflog die Abrechnung eines Depots, in dem mehr lag, als ein Polizist je verdienen würde. Es stimmte also, was man sich erzählte. Die Mantheys hatten mehr Geld, als die meisten sich vorstellen konnten.
»Wie kommst du darauf?«,
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