Enwor 2 - Die brennende Stadt
wirkliches Interesse und ohne wirklich zu registrieren, was er wahrnahm — der Reihe nach Arsan, Gowenna und die beiden Sumpfmänner an und starrte dann zum Kraterrand empor. Die Errish war verschwunden, und mit ihr waren Tantor und der Satai gegangen. Der Kraterrand war leer, als wäre alles nichts als ein böser Spuk gewesen.
Langsam, sehr, sehr langsam, als zögere er die Bewegung so lange wie überhaupt möglich hinaus, allein um irgend etwas tun zu können, wandte Skar sich um und ging zu Arsan hinüber.
Der Kohoner war tot; natürlich. Der Staubnebel hatte sein Fleisch bis auf die Knochen weggeätzt, sein Gesicht zu einem grinsenden Totenschädel werden lassen, ein weißes, abstoßendes, von blutigen Fleischfetzen bedecktes Ding, aus dessen Augenhöhlen sich dünne Rauchfäden kräuselten.
Nicht einmal mehr die Augen konnte Skar ihm schließen. Selbst diesen letzten Freundschaftsdienst hatte sie ihm genommen.
»Armer kleiner Mann«, flüsterte er. »Armer alter kleiner Mann.« Arsan war der einzige gewesen, der einzige außer ihm und Gowenna und den beiden Schattenmännern, der die Hölle überstanden hatte, der einzige, obwohl er von Anfang an gewußt hatte, daß er sterben mußte. Es kam Skar wie ein höhnischer Betrug vor, gemeiner noch als das, was sie ihm und Gowenna angetan hatte. Er verstand nicht, warum Arsan hatte sterben müssen, warum Vela das getan hatte. Es war so sinnlos, so vollkommen sinnlos. Eine Machtdemonstration, mehr nicht. Er verstand nicht, warum Arsan tot war. Daß Vela ihn und Gowenna umbrachte, begriff er. Sie waren Feinde, gefährliche Feinde, die sie einfach nicht am Leben lassen durfte. Aber Arsan? Er war nichts als ein alter, schwacher Mann gewesen, der einen Traum geträumt hatte, den Traum, einmal im Leben genügend Geld zu haben, um sich und seine Familie satt zu bekommen. Und nun war dieser Traum aus, verkocht im tödlichen Staub der Bestie.
So sinnlos.
Er richtete sich auf, schloß die Augen und atmete ein paarmal hintereinander hörbar ein und aus. Seine Hand berührte die Stelle über seiner Brust, an der der Beutel gehangen hatte, der Beutel mit seinem Leben. Er empfand nichts. Seine Brust war leer. Mit einem Male war er sich der Schwäche bewußt, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Seine Knie begannen zu zittern, und seine Arme schienen plötzlich Zentner zu wiegen, tote, nutzlose Gewichte, die ihn unbarmherzig zu Boden zerrten.
Er lauschte in sich hinein, aber auch in seiner Seele war nichts außer dieser gewaltigen, schmerzenden Leere. Sein dunkler Bruder war verstummt. Was war es gewesen, das ihn geweckt hatte? Der Stein? War dies das Geheimnis des Steines? Keine Magie, keine göttlichen Blitze, keine Zauberkräfte, sondern nur die Fähigkeit, die finstere Seite der menschlichen Seele zu wecken? War das, was er seinen dunklen Bruder nannte, vielleicht gar nichts Fremdes? Nicht Teil einer anderen Welt, den er aus der Nonakesh mitgebracht hatte, sondern etwas, das in jedem Menschen schlummerte, eine unbezwingbare, böse Kraft, die nur darauf wartete, geweckt zu werden — vom Stein der Macht geweckt zu werden?
Ich werde es herausfinden, dachte er. Aber dann fiel ihm ein, daß er nicht mehr die Zeit dafür hatte, daß er sterben würde, morgen, vielleicht schon heute, daß das Gift in seinen Adern unbarmherzig seine Arbeit tat und er jetzt keine Möglichkeit mehr hatte, es aufzuhalten. Der Gedanke an seinen Tod schreckte ihn mehr, als er zugeben wollte.
Eine Hand berührte ihn an der Schulter. Er drehte müde den Kopf und sah ins Gesicht eines Sumpfmannes. Seine Kleider schwelten, gestreift vom tödlichen Hauch des Drachenatems, aber er schein unverletzt zu sein.
»Gowenna«, sagte er.
Skar blickte an dem Sumpfmann vorbei zu Gowenna. Sie lebte, und sie war bei Bewußtsein. Sie saß halb aufgerichtet, den Oberkörper im Schoß des anderen Sumpfmannes gebettet, die Hand auf das Gesicht gepreßt. Zwischen ihren Fingern quoll dunkelrotes, zähflüssiges Blut hervor.
Skar nickte, ging an El-tra vorbei und ließ sich neben Gowenna auf ein Knie herabsinken. Sie drehte mühsam den Kopf, und Skar begriff, was für unerträgliche Schmerzen sie erleiden mußte. Aber ihm fehlte die Kraft, Mitleid zu empfinden.
Trotzdem erschrak er, als sie die Hand herunternahm und er ihr Gesicht sah. Die rechte Gesichtshälfte war unversehrt, schön wie zuvor, trotz der Qual, die ihre Züge verzerrte. Ihre linke Seite aber war eine einzige schreckliche Wunde. Das Fleisch war
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